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Lorenz Glatz
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Katastrophen 1

Die Leute im Tsunami-Warnzentrum auf Hawaii vermuteten bald nach dem Seebeben, dass eine Flutwelle unterwegs ist. Sie sind aber für den Pazifik zuständig, wo keine Gefahr bestand. Am Indischen Ozean haben sie „keine Adressaten“. Die Seismologen in Thailand haben Adressen, aber sie sind nach einem Fehlalarm vor zwei Jahren als Wirtschaftsschädlinge angeprangert worden. Sie wollten nichts mehr riskieren, wenigstens ihre Jobs nicht, das Leben von ein paar Tausend Leuten schon eherDas Ergebnis war hie und da dasselbe: Hoffen, vielleicht auch beten.

Die Führung der indischen Luftwaffe wusste sehr bald genau, dass eine Flutwelle auf das Land zukommt. Sie tat ihre Pflicht: Sie ließ ein Fax einem Minister nach Hause schicken (der jedoch schon seit Monaten nicht mehr im Amt ist). Dann könnten die Herren guten Gewissens in die Offiziersmesse gegangen sein. In Aceh und in Sri Lanka hätte auch das andernorts vermisste Frühwarnsystem keine Chance gehabt – dort führen Separatisten und Regierung seit Jahrzehnten Krieg.

Eine Flutwelle ist eine Naturkatastrophe. Eine gesellschaftliche Katastrophe aber ist, dass der Schutz davor an Leuten hängt, die zu seelenlosen Funktionären der Verwaltung von Staat und Wirtschaft gemacht sind, die gelernt haben, dass sie mit menschlichem Engagement nur aus der Rolle fallen und die sich daher auch im Extremfall als genau das verhalten, was von ihnen erwartet wird: als Träger von Arbeitskraft, von Geschäftsinteressen, von Aspirationen auf Macht und Geld oder von irgendwelchen anderen Funktionen der weltweiten Diktatur des Werts in allen seinen Formen.

Was vielerorts möglich gewesen wäre, hat ausgerechnet das korrupte Kenia demonstriert. Auf einen Anruf des Umweltministeriums der Seychellen, wurden per Radio, Fernsehen, Telefon, Funk und Polizeieinsatz die Zehntausenden Menschen, die den Feiertag am Strand verbrachten, gewarnt und in Sicherheit gebracht. Das einzige Todesopfer hatte tragischerweise der Polizei ausgerechnet dann nicht getraut, als sie Recht hatte.

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Erstveröffentlichung im FORVM:
März
2005
, Seite 21
Autor/inn/en:

Lorenz Glatz:

Geboren 1948, 32 Jahre Latein- und Griechischlehrer in Wien. Pensionist, Hausmann eines lieben Weibes, praktizierender Großvater, Leser, Schreiber und Webmaster.

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