MOZ » Jahrgang 1990 » Nummer 56
Renata Fuchs
1. Steirische Frauenakademie

Ist die Zukunft weiblich?

Ohne Wirtschaft geht gar nichts. Welchen Beitrag Frauen zur Managementgesellschaft leisten sollen, wurde ihnen während eines Symposiums in Graz dargelegt.

C. v. Werlhof (links), Dr. K. Koncz

Das Fragezeichen im Titel des 3-tägigen Symposiums, das vom 30.8.-1.9. im Schloß Metahof in Graz stattfand, war rhetorisch gemeint. Frau Grammatik diktiert den Zeiten die weibliche Form, und Ridi Steibl, Frauen- und Familienbeauftragte des Landes Steiermark und Organisatorin der Frauenakademie, bestätigte sie auf der Innenseite des Programms mit einem energischen Rufzeichen.

Ihre Begründung: „Wie die Frauenfrage zu lösen ist, muß nicht länger diskutiert werden. HANDELN IST GEFRAGT!“

Mit einem freundlichen „Nur Mut“ eröffnete die Landesrätin für Wirtschaft und Fremdenverkehr, Waltraud Klasnic, die Veranstaltung. Dr. Emil Breisach, Präsident der Grazer Akademie, unterstützte sie mit der Erkenntnis: „Zutiefst weibliche Eigenschaften hat die von Menschen malträtierte Erde notwendig“ und der Aufforderung an die Teilnehmerinnen, „mit Sanftmut die männliche Wildheit zu bezähmen“.

Die erste Referentin, Claudia von Werlhof — Professorin am Institut für Politikwissenschaften in Innsbruck und Inhaberin des 1. Lehrstuhls für Frauenforschung in Österreich — war die einzige, die an einer rosig-hellblauen Zukunft, mittels Eigeninitiative und partnerschaftlichem Miteinander der Geschlechter an der Spitze von Politik und Management nicht mitbasteln wollte.

In ihrem Vortrag „Matriarchat heute?“ meinte sie: „Feministische Atomkraftwerke würden genauso explodieren wie sozialistische oder kapitalistische.“ Das Matriarchat, von ihr wörtlich übersetzt „am Anfang war die Mutter“, beinhaltete ein anderes Lebensgefühl. Es ginge nicht um eine weibliche Zukunft im patriarchalen Sinn, um eine Beteiligung der Frauen am männlichen Machbarkeitswahn, sondern um den Anschluß an eine Form des Denkens, wo „das Gebären keine Reduktion auf das Materielle“ war, wo nicht das „kalkulierbare Berechnen“, sondern der „kosmische Zusammenhang“ im Vordergrund stand. Im Patriarchat fungiere „der Penis als Antenne des Kosmos“.

Nach ihr propagierte die Sozialwissenschaftlerin Barbara Sichtermann ganz im Sinne der Veranstalterin „den Schritt in die Selbständigkeit“, und zwar „von der Freiberuflerin bis hin zur potenten Arbeitgeberin“. Sie meinte: „Ohne Markt geht es praktisch und offenbar nicht“ und „ohne subjektive Beihilfe rührt sich nicht einmal das Glück“. Die Ära der Mammutkonzerne sei zu Ende, konstatiert sie. Gefragt wären in Zukunft kleinere Betriebe, die flexibel und innovationsfähig sind und in Zeiten zunehmenden Individualismus besseres Service bieten. Das wäre eine Chance für Frauen, die schon immer Wege gefunden hätten, Gewerbe und Handel zu treiben. Ihr Resümee: „Tante Emma ist unsterblich!“ Ihre Schwester, die Unternehmensberaterin Dr. Marie Sichtermann, analysierte das Kollektiv als von Frauen bevorzugte Organisationsform und stellte fest: „Das Kollektiv ist eine echte heilige Kuh.“ Es scheint ein machtfreier Raum zu sein, aber Macht sei eine Konstante in zwischenmenschlichen Zusammenhängen — „irgendwer hat sie immer“. Leider nie diejenige, die viel und gerne arbeitet, sondern „die Schnecke“, die die anderen zur Rücksichtnahme zwingt. „Es fehlt dem Kollektiv an Struktur, um Macht sichtbar zu machen und zu kanalisieren, um die Dynamik der Macht zu nutzen.“ Sie beteuerte, das Kollektiv habe als „Durchgangsstadium“ und „Notgemeinschaft der Unterdrückten“ vor allem für Frauen durchaus eine Berechtigung, um Risiko und Verantwortung tragen zu lernen. Aber da es „vom Bewußtsein der Unfähigkeit, allein zu bestehen, bestimmt ist“, sieht Marie Sichtermann selbstbewußte Frauen in Zukunft eher hierarchisch arbeiten — am liebsten so organisiert, daß alle Beteiligten mit soviel Freude wie möglich doch noch eine positive Bilanz erwirtschaften. Am 2. Tag versprudelte Landesrätin Waltraud Klasnic zum Thema „Frauen in der Politik“ fröhlich Bauernkalenderweisheiten mit positivem Denken. Die „vielzitierte Doppelbelastung“ bedeute doch gleichzeitig „doppelte Qualifikation“. Männer hätten Verstand und Autorität, Frauen dagegen Verstand und Emotion, daher sei die Zusammenarbeit nowendig, wenn auch zeitweise schwierig, trotz alledem möglich.

Der witzigste Beitrag kam von der Landtagspräsidentin von Venetien, Dr. Lia Sartori. Sie forderte Quoten, weil Gleichberechtigung erst dann Realität ist, wenn es genauso viele häßliche und dumme männliche wie weibliche Politiker in Machtpositionen gibt.

Am letzten Tag saßen Managerinnen aus der BRD, Schweiz und Österreich am Podium und verkündeten: „Ohne Wirtschaft geht gar nichts“ (Heike Huck, Personalberaterin aus Frankfurt). „Die Wirtschaft ist auf das unausgeschöpfte Potential an Fähigkeiten und Talenten von Frauen angewiesen. Die Integration von Frauen wird ebenso ein Imagefaktor sein wie hohe Kundenorientierung oder ökologische Ziele“ (Dkfm. Helga Stattler, Hernstein International Management Institute). Im Gegensatz zu Barbara Sichtermann prognostizierten die Managerinnen eine zunehmende Internationalisierung der Märkte und einen drohenden Führungskräftemangel.

Heide Huck forderte die Frauen auf, „mehr an die Front zu gehen, um dort zu zeigen, wie erfolgreich und leistungsorientiert sie sind“. Wenn sie auf „antiquiertes Verhalten“ treffen, sollten sie sich „einfach umdrehen und sich zukunftsträchtigere Firmen aussuchen“, z.B. Bayer oder MBB, die nach einer Familienphase „Wiedereingliederungsprogramme“ anbieten.

Den Einwand einer Teilnehmerin, frau müsse sich doch auch überlegen, was der Konzern produziert, den sie managt, wenn es um verantwortungsvolle Zukunftsplanung und -gestaltung gehe, wischte sie ungeduldig weg: „Die Frage, ob jemand einsteigen will, ist hier nicht das Thema — wir reden jetzt über Strategien.“

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Erstveröffentlichung im FORVM:
Oktober
1990
, Seite 72
Autor/inn/en:

Renata Fuchs:

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