Grundrisse » Jahrgang 2003 » Nummer 8
Grundrisse

Editorial

Liebe Leserinnen und Leser!

Das Projekt „grundrisse“ besteht nicht nur in der Herausgabe dieser Zeitschrift, sondern ebenso in der aktiven Teilnahme an linken, antikapitalistischen Aktivitäten und Diskussionen. Die Kontakte und die Vernetzung mit anderen Gruppen und Initiativen hat sich gerade in den letzten Monaten sehr erfreulich entwickelt. Wir haben nicht nur mehrere interessante Artikel angeboten bekommen, auch mehrfach wurden Einladungen ausgesprochen, zu bestimmten Themen ReferentInnen zu stellen. Umgekehrt sind wir auch weiter daran, Veranstaltungen in Wien zu organisieren. Unter anderem ist eine Diskussionsveranstaltung mit dem Titel: „Sozialforen und radikale Emanzipation – ein Widerspruch?“ geplant, die Arbeitstagung am 15. März mit John Holloway ist fixiert und im April wird voraussichtlich Ingo Elbe in Wien referieren. Genauere Informationen zu diesen Veranstaltungen können unter www.grundrisse.net abgerufen werden.

Ein Teil unserer Aktivitäten ist auf den nächsten Seiten ausführlich dokumentiert. Es gibt Berichte über unsere Eindrücke vom europäischen Sozialforum in Paris ebenso wie vom „Indeterminate Kommunismus!“-Kongreß in Frankfurt. Besonders ausführlich wird aber unser Sommer-Seminar zum Thema „Klasse“ dokumentiert. Sollte die eine oder der andere Lust und Interesse bekommen, im nächsten Jahr an unserem Sommertreffen teilzunehmen, so war der Zweck dieses Berichtes sicher nicht verfehlt.

An dieser Stelle wollen wir die teilweise im Heft dokumentierte Diskussion um einen Beitrag von Roland Atzmüller ergänzen, der zu den Ergebnissen des Seminars folgende Bemerkung formuliert hat:

Es gibt gute Gründe, soziologisierende Theorien zur Klassenstrukturierung zu kritisieren, die Kritik, die im Beitrag vorgebracht wird, überzeugt mich aber nicht. Daher ein paar Anmerkungen: Was ist Statistik? Falscher Schein? Oder sowohl Medium wie Ergebnis der sozialen Kämpfe und der durch sie verursachten (Klassen-)spaltungen der Gesellschaft. Anders ausgedrückt, mit den in den jeweiligen Gesellschaften vorhandenen statistischen Apparaten weiß die Bourgeoisie mehr über den Klassencharakter des Kapitalismus und der Klassenkämpfe als die Linke ahnt. Statistiken machen diese Kämpfe erfassbar und damit regierbar (für das Kapital), nichtsdestoweniger finden sie sich darin. Dass die Kategorien, die in den Statistiken erfasst werden, historisch spezifische Konstruktionen, also Ergebnisse des Klassenkampfes sind, muss aber natürlich in der kritischen Auseinandersetzung sichtbar gemacht werden. Soziologischer Marxismus a la Wright ist sicherlich für vieles zu kritisieren, auch kann mensch Analysen, wie einen Bewusstseinsindex, absurd finden – nur, wenn die Markt- und Meinungsforschung Teil des Klassenkampfes der herrschenden Klassen ist, warum sollte dieses Instrumentarium nicht auch aus emanzipatorischer Perspektive eingesetzt werden - das und nicht mehr ist das wissenschaftliche Programm bei Wright. Ob die vorliegenden Anwendungen diesbezüglich zufriedenstellend sind, ist eine andere Frage. Außerdem: Wenn die im Beitrag zu den Ergebnissen des Seminars genannten Dimensionen ihre Aussagekraft verlieren, warum hat dann die Einschätzung, dass die atypischen Beschäftigungsverhältnisse zunehmen, diesen Stellenwert, wie kann diese Aussage überhaupt getroffen werden. Anders ausgedrückt, die genannten Dimensionen enthalten Hinweise auf die politische Konstitution der Klassenverhältnisse, die innerkapitalistische Regulation der Klassenwidersprüche und ihre Veränderung. Dies müsste eine kategorienkritische Anwendung quantitativ orientierter sozialwissenschaftlicher Methoden und Ergebnisse stets reflektieren.

Die Diskussion um den Klassenbegriff wird selbstverständlich weiter geführt werden müssen und sicherlich bei der Auseinandersetzung mit John Holloway eine wichtige Rolle spielen.

An dieser Ausgabe haben sich aber nicht nur Schreibende beteiligt, wie Meinhard Creydt und Thieß Peterson, dessen Artikel „Der Begriff der Arbeit in den Schriften von Karl Marx“ aus Platzgründen leider erst in der nächsten Nummer erscheinen kann. Erfreulicherweise haben sich auch Personen aus dem künstlerischen Bereich der „grundrisse“ angenommen. Linda Bilda und Eva Egermann haben die Gestaltung der Bildleisten übernommen, wofür wir ihnen herzlich danken möchten. Clemens Berger hat erneut zwei Fabeln des Subcomandante Marcos übersetzt, in denen er einen kleinen Käfer namens Don Durito über die Probleme der Rebellion im besonderen und der Welt im allgemeinen nachdenken läßt.

Wir hoffen, daß diese Ausgabe mit Interesse gelesen werden wird. Und zum Abschluß wollen wir bekräftigen: EKH bleibt! [1]

Redaktion grundrisse

[1Für mit der Situation in Wien nicht Vertrauten: Infos dazu unter: www.med-user.net/ekh

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Erstveröffentlichung im FORVM:
Dezember
2003
, Seite 3
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