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Editorial

Im Schatten des internationalen Antiterrorkampfes sind die Gebiete der ehemaligen Sowjetunion vermehrt zum Tummelfeld territorialer Interessen geworden. Das Gerangel um den zentralasiatischen Raum ist nichts Neues. Die Stationierung von US-Truppenverbänden in der Ex-Sowjetunion jedoch ist neu, und die Realität hat diesen ersten Artikel bereits überholt: die Russische Armee ist jetzt schon teilweise aus Georgien verdrängt und wird von US-Truppen abgelöst. Wie es dazu kommen konnte, ist Gegenstand des ersten Artikels.

«Wir sind Antizionisten, keine Antisemiten», heisst es in der Linken allenthalben. Wes Geistes Kind dieser «Antizionismus» ist, zeigte sich jüngst in Berlin, wo eine Israel-Veranstaltung der linken Zeitschrift Bahamas unter «Juden raus!» Rufen angegriffen wurde. Die gleichzeitigen Boykottaufrufe gegen israelische Produkte, der Zynismus, mit dem menschenverachtende Selbstmordattentate in heldenhafte Verzweiflungstaten umgedeutet, brennende Synagogen und Angriffe auf Jüdinnen und Juden in Europa fröhlich zum Anlass für Diskussionen über die «Politik Sharons» genommen werden, sprechen dieselbe Sprache. Der Beitrag über die Theoriefeindlichkeit der «Globalisierungsgegner» und der Kommentar zu Israel zeigen auf, dass die jüngsten antisemitischen Ereignisse nicht vom Himmel gefallen sind.

Als 1994 das Auftauchen der zapatistischen Miliz in Mexiko Weltöffentlichkeit und Linke in Erstaunen versetzte, wurde in der Folge mit «Zivilgesellschaft» ein Begriff wiederentdeckt, den Antonio Gramsci schon 1934 zu einer Grundlage seiner Theorie machte. Anstatt aber den von Gramsci immer kritisch und genau definierten Begriff auch als solchen aufzugreifen, wurde er zu einer Projektionsfläche für Träumereien verschiedenster Couleur. Der Debattenteil greift diesen Begriff in seiner ursprünglichen Bedeutung auf und entwindet ihn seinen esoterischen und staatstreuen Apologeten.

Unter dem Begriff «Koalition der Vernunft» werden die gemeinsamen Reformbemühungen von Sozialdemokratie und gemässigten bürgerlichen Kräften zusammengefasst. Dieser parteiübergreifende Modernisierungsmotor hat nun auch die Geschichtsschreibung ergriffen. Die «Unabhängige Expertenkommission Schweiz – 2. Weltkrieg» hat eine Neubewertung von Weltkriegs- und Neutralitätsgeschichte formuliert, welche mit alten Mythen aufräumt und das Selbstbild der Schweiz grundlegend verändert.

Die von der Kulturindustrie angebotenen Produkte sind weder die Horte proletarischen Bewusstseins, als welche sie in der Linken oft missverstanden werden, noch sind sie von «den Mächtigen» verordnete Mittel zur Gehirnwäsche. Die in diesen Produkten deutlich werdende Regression der kapitalisierten Subjekte ist nicht zuletzt selbstverordnet. Sie zu durchbrechen kann mittels einer Annäherung an radikale Kunst geschehen.

Redaktion Risse

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Erstveröffentlichung im FORVM:
Mai
2002
, Seite 1
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