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Günther Anders

Drei poetische Nachträge aus dem Nachlaß

1. Zu: Molussische Katakombe

Kein Hahn wird später nach uns krähn,
Versäumt ein Meldereiter
Nach seinem zweiten auszuspähn
Und jeder zweite weiter.
 
Kein Hahn wird später nach uns krähn,
Verfehlst Du Deinen dritten,
Und wagt der Dritte fortzugehn,
Eh’ sein Mann zugeritten.
 
Kein Hahn wird später nach uns krähn,
Die Kette würde mürbe,
Wenn im Tradieren aus Versehen,
Der vierte Reiter stürbe.
 
Kein Hahn wird später nach uns krähn,
Zerriß bei Fünf die Kette,
Und ließ der Sechste aus Versehn
Hinfallen die Stafette.
 
Kein Hahn wird später nach uns krähn,
O denket an das Später,
Versäumt ein Einz’ger einzustehn
für seinen Wortvertreter –
 
Dann wird kein Hahn mehr nach uns krähn.

Das obenstehende Lied aus dem Roman Die molussische Katakombe fehlt auf Seite 14 der 1992 bei Beck in München erschienenen ersten Auflage (327 Seiten), die seit 2007 vergriffen ist. In der 2., erweiterten Auflage von 2012 (493 Seiten) befindet sich das Lied an seinem Platz. Die neue Ausgabe enthält zudem bis dahin unbekannte molussische Apokryphen, den Bericht eines chinesischen Blattes über die Vorgeschichte des „Münchner Abkommens“ von 1938 sowie Dokumente aus den USA, u.a. wie Arnold Zweig den Autor vor der „German American Writers Assiciation“ 1939 in New York vorgestellt hatte. In einem Nachwort berichtet der Herausgeber G.O. von Gesprächen mit G.A., vorwiegend über die bewegte Geschichte dieses Buches und seines Autors.

2. Zu: Lieben gestern

Ob man uns haßt oder
ob man uns liebt,
ist völlig wurscht, mein Kind,
wer weiß denn überhaupt,
daß es uns gibt
und daß wir so irrsinnig
scharf drauf sind,
daß man uns weiß und liebt!

1 Blatt Einlage in: Lieben Gestern, München (Beck) 1986 hs verbessertesTyposkript.

3. Zu: Tagebücher und Gedichte

Letzter Nachspruch

Kein Sternbild hat dich je vermisst,
kein Gott dein Buch gelesen,
im Nu, da du gegangen bist,
warst du nie dagewesen.

(1979)
Typoskript, 1 Blatt Durchschlagpapier, Einlage in „Tagebücher und Gedichte“, München (Beck) 1985, Handexemplar G.A. Darin am Titelvorsatz hs Vermerk: „Errata 350“. Errata: p. 242, Z. 17 v.u.: Molussieren – recte: Molussiern; p. 350, Z. 3 v.u.: Land – recte: Band.

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Erstveröffentlichung im FORVM:
Oktober
2015
Autor/inn/en:

Günther Anders:

Günther Anders wurde am 12. Juli 1902 in Breslau geboren. Nach dem Studium der Philosophie 1924 Promotion bei Husserl. Danach gleichzeitig philosophische, journalistische und belletristische Arbeit in Paris und Berlin. 1933 Emigration nach Paris, 1936 nach Amerika. Dort viele „odd jobs“, unter anderem Fabrikarbeit, aus deren Analyse sich später sein Hauptwerk ‚Die Antiquiertheit des Menschen‘ ergab. Ab 1945 Versuch, auf die atomare Situation angemessen zu reagieren. Mitinitiator der internationalen Anti-Atombewegung. 1958 Besuch von Hiroshima. 1959 Briefwechsel mit dem Hiroshima—Piloten Claude Eatherly. Stark engagiert in der Bekämpfung des Vietnamkrieges. — Auszeichnungen: 1936 Novellenpreis der Emigration, Amsterdam; 1962 Premio Omegna (der ,Resistanza Italiana‘); 1967 Kritikerpreis; 1978 Literaturpreis der ‚Bayerischen Akademie der Schönen Künste‘; 1979 Österreichischer Saatspreis für Kulturpublizistik; 1980 Preis für Kulturpublizistik der Stadt Wien; 1983 Theodor W. Adorno-Preis der Stadt Frankfurt; 1992 Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Günther Anders starb am 17.12.1992 in Wien.

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