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Roman Rosdolsky

Der Gebrauchswert bei Karl Marx*

Eine Kritik der bisherigen Marx-Interpretation (1959)

I

Unter den zahlreichen kritischen Ausführungen über Ricardos System, die sich bei Marx finden, fällt vor allem ein nur in den Marxschen Grundrissen geäußerter Vorwurf auf: dass nämlich Ricardo in seiner Ökonomie vom Gebrauchswert abstrahiere (MEW 42, S. 193), dass er auf diese so wichtige Kategorie „nur exoterisch Bezug nehme“ (MEW 42, S. 546), und dass sie deshalb bei ihm „als einfache Voraussetzung tot liegenbleibe“ (MEW 42, S. 240).

Auf diesen Vorwurf soll hier näher eingegangen werden. Er trifft seltsamerweise nicht nur Ricardo, sondern auch viele Schüler von Marx selbst! Denn es ist gerade bei den Ökonomen der Marxschen Schule zur Tradition geworden, vom Gebrauchswert in der Ökonomie abzusehen, ihn in den Bereich der „Warenkunde“ zu verweisen. Nehmen wir zum Beispiel Hilferdings Antwort an Böhm-Bawerk. „Ware ist Einheit von Gebrauchswert und Wert, nur die Betrachtungsweise ist doppelt: als natürliches Ding ist sie Gegenstand der Natur-, als gesellschaftliches Ding Gegenstand einer Gesellschaftswissenschaft, der politischen Ökonomie. Gegenstand der Ökonomie ist also die gesellschaftliche Seite der Ware, des Gutes, soweit es Symbol des gesellschaftlichen Zusammenhanges ist, während ihre natürliche Seite, der Gebrauchswert, jenseits des Betrachtungskreises der politischen Ökonomie liegt.“ (Rudolf Hilferding, Böhm-Bawerks Marx-Kritik, in Marx-Studien, Wien 1904, S. 9)

Auf den ersten Blick scheint es sich hier bloß um eine Paraphrase der bekannten Stelle aus der Marxschen Schrift Zur Kritik der politischen Ökonomie zu handeln. Wie lautet aber diese Stelle bei Marx selbst?

„Gebrauchswert zu sein, scheint notwendige Voraussetzung für die Ware, aber Ware zu sein, gleichgültige Bestimmung für den Gebrauchswert. Der Gebrauchswert in dieser Gleichgültigkeit gegen die ökonomische Formbestimmung, das heißt Gebrauchswert als Gebrauchswert, liegt jenseits des Betrachtungskreises der politischen Ökonomie. In ihren Kreis fällt er nur, wo er selbst Formbestimmung.“ (MEW 13, S. 16)

Man wird zugeben, dass das Original sich von der Kopie erheblich unterscheidet, und dass Hilferdings willkürliche Wiedergabe der obigen Sätze eher einer Vulgarisierung der wirklichen Marxschen Ansicht gleichkommt.

Oder nehmen wir einen neueren marxistischen Autor, P. M. Sweezy. In seiner, der Popularisierung der Marxschen Ökonomie dienenden Arbeit Theory of Capitalist Development lesen wir: „Marx excluded use value (or, as it now would be called, ‚utility‘) from the field of investigation of political economy on the ground that it does not directly embody a social relation. He enforces a strict requirement that the categories of economics must be social categories, i.e. categories which represent relations between people. It is important to realize that this is in sharp contrast to the attitude of modern economic theory (…)“ (P. M. Sweezy, Theory of Capitalist Development, New York 1942, S. 26)

Sweezys Darstellung unterscheidet sich also durch nichts von jener, die man gewöhnlich in den Popularisierungen der Marxschen Ökonomie findet. In seinem Falle aber ist das Versehen um so weniger entschuldbar, als ihm nicht nur die (1905 bis 1910 veröffentlichten) Marxschen Theorien über den Mehrwert, sondern auch dessen „Randglossen zu Adolf Wagner“ (MEW 19, S. 355-383) vorlagen, wo sich Marx selbst sehr ausführlich über die Rolle des Gebrauchswerts in seiner Ökonomie ausspricht. An Wagners Adresse sagt er dort:

„Nur ein vir obscurus, der kein Wort des Kapitals verstanden hat, kann schließen: Weil Marx in einer Note zur ersten Ausgabe des Kapitals allen deutschen Professoralkohl über ‚Gebrauchswert‘ im allgemeinen verwirft und Leser, die etwas über wirkliche Gebrauchswerte wissen wollen, auf ‚Anleitungen zur Warenkunde‘ verweist (MEW 23, S. 50; MEW 13, S. 16), – daher spielt der Gebrauchswert bei ihm keine Rolle.“ (MEW 19, S. 369) „Wenn man die ‚Ware‘ – das einfachste ökonomische Konkretum – zu analysieren hat, hat man alle Beziehungen fernzuhalten, die mit dem vorliegenden Objekt der Analyse nichts zu schaffen haben. Was aber von der Ware, soweit sie Gebrauchswert, zu sagen ist, habe ich daher in wenigen Zeilen gesagt, andrerseits aber die charakteristische Form hervorgehoben, in der hier der Gebrauchswert – das Arbeitsprodukt – erscheint; nämlich: ‚Ein Ding kann nützlich und Produkt menschlicher Arbeit sein, ohne Ware zu sein. Wer durch sein Produkt sein eignes Bedürfnis befriedigt, schafft zwar Gebrauchswert, aber nicht Ware. Um Ware zu produzieren, muss er nicht nur Gebrauchswert produzieren, sondern Gebrauchswert für andre, gesellschaftlichen Gebrauchswert.‘ (MEW 23, S. 55) (…) Damit besitzt der Gebrauchswert – als Gebrauchswert der ‚Ware‘ – selbst einen historisch-spezifischen Charakter. (…) Es wäre also reine Faselei, bei Analyse der Ware – weil sie sich einerseits als Gebrauchswert oder Gut, andrerseits als ‚Wert‘ darstellt – nun bei dieser Gelegenheit allerlei banale Reflexionen über Gebrauchswerte oder Güter ‚anzuknüpfen‘, die nicht in den Bereich der Warenwelt fallen“ (wie dies die offizielle Universitätsökonomie tut, Anm. R. R.) (…) „Andrerseits hat der vir obscurus übersehn, dass schon in der Analyse der Ware bei mir nicht stehengeblieben wird bei der Doppelweise, worin sie sich darstellt, sondern gleich weiter dazu fortgegangen wird, dass in diesem Doppelsein der Ware sich darstellt zwiefacher Charakter der Arbeit, deren Produkt sie ist: der nützlichen Arbeit, i.e. den konkreten Modi der Arbeiten, die Gebrauchswerte schaffen, und der abstrakten Arbeit, der Arbeit als Verausgabung der Arbeitskraft, gleichgültig in welcher ‚nützlichen‘ Weise sie verausgabt werde (worauf später die Darstellung des Produktionsprozesses beruht); dass in der Entwicklung der Wertform der Ware, in letzter Instanz ihrer Geldform, also des Geldes, der Wert einer Ware sich darstellt im Gebrauchswert der andern, d.h. in der Naturalform der andern Ware; dass der Mehrwert selbst abgeleitet wird aus einem ‚spezifischen‘ und ihr exklusive zukommenden Gebrauchswert der Arbeitskraft usw., dass also bei mir der Gebrauchswert eine ganz andere wichtige Rolle spielt als in der bisherigen Ökonomie, dass er aber notabene immer nur in Betracht kommt, wo solche Betrachtung aus der Analyse gegebener ökonomischer Gestaltungen entspringt, nicht aus Hin- und Herräsonieren über die Begriffe oder Worte ‚Gebrauchswert‘ und ‚Wert‘.“ (MEW 19, S. 369-371)

Soweit Marx. Aus seinen Sätzen ist klar ersichtlich, dass die traditionell-marxistische Auslegung Hilferdings, Sweezy’s u.a. unmöglich richtig sein kann, und dass in diesem Falle die genannten Verfasser – freilich ohne es zu ahnen – nicht ihrem Lehrer Marx, sondern eher dem von ihm kritisierten Ricardo folgen!

II

Worauf gründet sich aber die Marxsche Kritik, und wie sind eigentlich die eingangs angeführten Einwände gegen Ricardo zu verstehen? Um dies zu beantworten, müssen wir auf die methodologischen Grundvoraussetzungen des Marxschen Systems zurückgehen.

Man weiß: im Gegensatz zu den Klassikern, war das ganze theoretische Wirken von Marx darauf gerichtet, die „besonderen Gesetze (aufzudecken), welche Entstehung, Existenz, Entwicklung, Tod eines gegebenen gesellschaftlichen Organismus und seinen Ersatz durch einen andren, höheren regeln“ (MEW 23, S. 27). Ihm galt daher die kapitalistische Produktion als eine „nur (…) historische, einer gewissen beschränkten Entwicklungsepoche der materiellen Produktionsbedingungen entsprechende Produktionsweise“ (MEW 25, S. 270), und die Kategorien der bürgerlichen Ökonomie als „gesellschaftlich gültige, also objektive Gedankenformen für die Produktionsverhältnisse dieser historisch bestimmten gesellschaftlichen Produktionsweise“ (MEW 23, S. 90).

Indessen: auf welchem Wege kann die Theorie zur Erkenntnis von solch besonderen, nur historische Geltung beanspruchenden Gesetzen gelangen? Und wie sind diese Gesetze mit den allgemeinen, auf alle Gesellschaftsepochen anwendbaren, ökonomischen Bestimmungen in Einklang zu bringen? Denn „alle Epochen der Produktion haben gewisse Merkmale gemein“, was „schon daraus hervorgeht, dass (in allen Epochen) das Subjekt, die Menschheit, und das Objekt, die Natur, dieselben“ (MEW 42, S. 20-21) sind. Nichts leichter daher, als durch Hervorhebung dieser gemeinsamen Bestimmungen „alle historischen Unterschiede zu konfundieren oder auszulöschen in allgemein menschlichen Gesetzen“ (MEW 42, S. 22-23). Allein, wenn zum Beispiel „die entwickeltsten Sprachen Gesetze und Bestimmungen mit den unentwickeltsten gemein haben, so muss gerade das, was ihre Entwicklung ausmacht, den Unterschied von diesem Allgemeinen und Gemeinsamen (ausdrücken).“ In gleicher Weise aber muss auch die Nationalökonomie vor allem die Entwicklungsgesetze der von ihr untersuchten kapitalistischen Epoche erforschen, „damit über der Einheit“ (der dieser Epoche mit den früheren gemeinsamen Bestimmungen) „die wesentliche Verschiedenheit nicht vergessen wird“ (MEW 42, S. 21).

Was macht aber die Entwicklung in der Sphäre der Ökonomie aus? Gerade das, worin sich ihr spezifisch – gesellschaftlicher Charakter ausdrückt! „Soweit der Arbeitsprozess nur ein bloßer Prozess zwischen Mensch und Natur ist, bleiben seine einfachen Elemente allen gesellschaftlichen Entwicklungsformen desselben gemein. Aber jede bestimmte historische Form dieses Prozesses entwickelt weiter die materiellen Grundlagen und gesellschaftlichen Formen desselben.“ (MEW 25, S. 890-891) Und gerade auf diese gesellschaftlichen Formen – im Unterschied von dem naturgegebenen „Inhalt“ derselben – kommt es vor allem an! Nur sie allein stellen das aktive, vorwärtstreibende Moment dar. Denn: „Naturgesetze können überhaupt nicht aufgehoben werden. Was sich in historisch verschiedenen Zuständen ändern kann, ist nur die Form, worin jene Gesetze sich durchsetzen.“ (MEW 32, S. 553)

Auf die fundamental wichtige Marxsche Unterscheidung zwischen „Form“ und „Inhalt“ in der Ökonomie kann hier nicht näher eingegangen werden. (Auch hierin ist der Einfluss der Hegelschen Logik klar zu erkennen.) „Man darf nicht vergessen“ – schrieb in einem anderen Zusammenhang der namhafte russische Nationalökonom I. I. Rubin –, „dass in der Frage nach der Wechselbeziehung von Inhalt und Form Marx auf dem Standpunkt Hegels, und nicht auf jenem Kants stand. Kant betrachtet die Form als etwas in bezug auf den Inhalt Äußerliches, etwas, was nur von draußen zum Inhalt hinzukommt; während vom Gesichtspunkt der Hegelschen Philosophie der Inhalt selbst in seiner Entwicklung jene Form erzeugt, die im latenten Zustand in diesem Inhalt enthalten war. Die Form geht also mit Notwendigkeit aus dem Inhalt selbst hervor.“ (Vgl. I. I. Rubin, Skizzen über die Werttheorie von K. Marx (russisch), 4. Auflage, Moskau 1929, S. 103)

Eines steht jedoch fest: dass es für Marx eben die ökonomischen Formen sind, worin sich die sozialen Verhältnisse der wirtschaftenden Individuen ausdrücken und wodurch sich die einzelnen Produktionsweisen voneinander unterscheiden. Dass die Formen des Austauschs dem Ökonomen „gleichgültig“ sein sollten, „ist gerade, als ob der Physiolog sagte, die bestimmten Lebensformen seien gleichgültig. Sie seien alle nur Formen von organischer Materie. Gerade auf diese Formen allein kommt es an, wenn es sich darum handelt, den spezifischen Charakter einer gesellschaftlichen Produktionsweise aufzufassen. Rock ist Rock. Lass aber den Austausch in der ersten Form machen, so habt ihr die kapitalistische Produktion und die moderne bürgerliche Gesellschaft; in der zweiten, so habt ihr eine Form der Handarbeit, die sich selbst mit asiatischen Verhältnissen verträgt oder mit mittelalterlichen usw.“ Denn „im ersten Falle produziert der Schneider nicht nur einen Rock, er produziert Kapital, also auch Profit; er produziert seinen Meister als Kapitalisten und sich selbst als Lohnarbeiter. Wenn ich mir (hingegen) einen Rock von einem Schneider (ouvrier tailleur) im Hause machen lasse, zum Tragen, so werde ich dadurch sowenig mein eigener Unternehmer (im kategorischen Sinne), wie der Besitzer des Schneiderunternehmens (…) Unternehmer ist, soweit er einen von seinen Arbeitern genähten Rock selbst trägt und konsumiert.“ (MEW 26.1, S. 268)

Und an einer anderen Stelle: „Die Landarbeiter in England und Holland, die Arbeitslohn vom Kapital ‚vorgeschossen‘ erhalten, ‚produzieren ihren Arbeitslohn selbst‘, ebensogut wie der französische Bauer oder der von seiner Arbeit lebende russische Leibeigene. Betrachten wir den Produktionsprozess in seiner Kontinuität, dann schießt der Kapitalist dem Arbeiter heute nur als ‚Arbeitslohn‘ einen Teil des Produkts vor, den der Arbeiter gestern produziert hat. Der Unterschied liegt also nicht darin, dass in dem einen Falle der Arbeiter seinen eigenen Arbeitslohn produziert und in dem anderen nicht. (…) Der ganze Unterschied liegt in der Formverwandlung, die der vom Arbeiter produzierte Arbeitsfonds durchläuft, bevor er ihm in der Form des Arbeitslohns [im Original: Arbeitsfonds] wieder zuströmt.“ (MEW 26.3, S. 268)

Es sind also die spezifischen gesellschaftlichen Formen der Produktion und Distribution, die in Marxens Augen den eigentlichen Gegenstand der ökonomischen Analyse bilden; und gerade „der Mangel an theoretischem Sinn für Auffassung der Formunterschiede der ökonomischen Verhältnisse“ – gepaart mit der „brutalen Interessiertheit für den Stoff“ – zeichnet nach ihm die vorherige Ökonomie sogar in ihren besten Repräsentanten aus. (MEW 26.1, S. 64; MEW 23, S. 94-95)

Soweit unser methodologischer Exkurs. Der Leser wird indessen bemerkt haben, dass dadurch zugleich – in allgemeinster Weise – auch unsere Frage nach der Rolle des Gebrauchswerts in der Marxschen Ökonomie beantwortet wurde. Wie hieß es denn in der eingangs zitierten Stelle aus der Marxschen Kritik? In seiner „Gleichgültigkeit gegen die ökonomische Formbestimmung“ liegt der Gebrauchswert „jenseits des Betrachtungskreises der politischen Ökonomie. In ihren Kreis fällt nur, wo er selbst Formbestimmung.“ Mit anderen Worten: ob dem Gebrauchswert eine ökonomische Bedeutung zukomme, oder nicht, lässt sich nur nach seiner Beziehung zu den sozialen Produktionsverhältnissen beurteilen. Sofern er diese Verhältnisse beeinflusst oder selbst von ihnen beeinflusst wird, ist er gewiss eine ökonomische Kategorie. Sonst aber – in seiner bloß „natürlichen“ Eigenschaft – fällt er aus dem Bereich der Nationalökonomie heraus. Oder, wie es weiter im Text der Grundrisse heißt: „Die politische Ökonomie hat es mit den spezifischen gesellschaftlichen Formen des Reichtums oder vielmehr der Produktion des Reichtums zu tun. Der Stoff derselben, sei es subjektiv, wie Arbeit, oder objektiv, wie Gegenstände für die Befriedigung natürlicher oder geschichtlicher Bedürfnisse, erscheint zunächst allen Produktionsepochen gemeinsam. Dieser Stoff erscheint daher zunächst als bloße Voraussetzung, die ganz außerhalb der Betrachtung der politischen Ökonomie liegt, und erst dann in die Sphäre der Betrachtung fällt, wenn er modifiziert wird durch die Formverhältnisse oder als sie modifizierend erscheint.“ (MEW 42, S. 741; vgl. auch die Parallelstelle, MEW 42, S. 767)

III

Von diesem Gesichtspunkt aus bietet auch die Frage nach dem eigentlichen Unterschied zwischen Marx und Ricardo (hinsichtlich der Rolle des Gebrauchswerts in der Ökonomie) keine Schwierigkeiten mehr.

Dieser Unterschied kann sich unmöglich auf das Grundprinzip ihrer Wertlehre beziehen. Beide sind Arbeitswerttheoretiker; vom Standpunkt der Arbeitswerttheorie aus aber kann der Nützlichkeit oder dem Gebrauchswert der Arbeitsprodukte kein Einfluss auf die Wertschöpfung zugestanden werden, muss vielmehr ihr Gebrauchswert als eine bloße Voraussetzung ihrer Austauschbarkeit erscheinen. Woraus aber noch keineswegs folgt, dass dem Gebrauchswert überhaupt keine ökonomische Bedeutung zukomme, und dass er einfach aus dem Bereich der Ökonomie zu verweisen wäre.

Dies ist, nach Marxens Ansicht, nur richtig, soweit es sich um die einfache Warenzirkulation (die Austauschform W–G–W) handelt. Die einfache Zirkulation „besteht im Grunde nur in dem formalen Prozess, den Tauschwert einmal in der Bestimmung der Ware, das andere Mal in der Bestimmung des Geldes zu setzen“ (MEW 42, S. 180-181). Wie die auszutauschenden Waren produziert wurden (das heißt, ob sie der kapitalistischen oder vorkapitalistischen Wirtschaftsweise entstammen), und welcher Art von Konsum sie nach dem Austausch verfallen, ist für die ökonomische Betrachtung der einfachen Warenzirkulation nebensächlich. Hier stehen sich ja nur Käufer und Verkäufer, oder vielmehr nur die von ihnen feilgebotenen Waren gegenüber, die an ihrer Statt den gesellschaftlichen Zusammenhang zwischen ihnen herstellen. Der wirkliche Zweck des Austauschs – die wechselseitige Befriedigung der Bedürfnisse der Warenproduzenten – kann nur erfüllt werden, wenn die Waren sich zugleich als Werte bewähren, wenn es ihnen gelingt, sich gegen die „allgemeine Ware“, das Geld, umzutauschen. Es ist also der Formwechsel der Waren selbst, worin sich hier der gesellschaftliche Stoffwechsel vollzieht. Und dieser Formwechsel ist hier das einzige soziale Verhältnis der Warenbesitzer – „der Indikator ihrer gesellschaftlichen Funktion oder gesellschaftlichen Beziehung zueinander“ (MEW 42, S. 167). Was aber den Inhalt außerhalb des Akts des Austausches anbelangt, „so kann dieser Inhalt (…) nur sein: 1. die natürliche Besonderheit der Ware, die ausgetauscht wird. 2. das besondere natürliche Bedürfnis der Austauschenden, oder, beides zusammengefasst, der verschiedene Gebrauchswert der auszutauschenden Waren“ (MEW 42, S. 168). Als solcher aber bestimmt dieser Inhalt nicht den Charakter der Austauschverhältnisse: der Gebrauchswert bildet hier in der Tat nur „die stoffliche Basis, woran sich ein bestimmtes ökonomisches Verhältnis darstellt“, und „es ist erst dieses bestimmte Verhältnis, das den Gebrauchswert zur Ware stempelt (…) Nicht nur erscheint der Tauschwert nicht bestimmt durch den Gebrauchswert, sondern vielmehr, die Ware wird erst Ware, realisiert sich als Tauschwert, sofern ihr Besitzer sich nicht zu ihr als Gebrauchswert verhält.“ (MEW 42, S. 767) Gerade hier also, wo der Tausch „nur des wechselseitigen Gebrauches wegen stattfindet, hat der Gebrauchswert, die natürliche Besonderheit der Ware als solche, kein Bestehen als ökonomische Formbestimmung“, ist nicht „Inhalt des Verhältnisses als sozialen Verhältnisses“ (MEW 42, S. 193). Ökonomische Bedeutung kommt hier daher nur dem Formwechsel der Ware und des Geldes zu, und es ist dieser Formwechsel allein, auf den sich die Darstellung des einfachen Warenaustausches beschränken muss.

Indes, wie richtig dies auch in bezug auf den einfachen Warenaustausch ist, so wäre doch nichts unrichtiger – sagt weiter Marx – als der Schluss, „dass die Unterscheidung zwischen Gebrauchswert und Tauschwert, die in der einfachen Zirkulation (…) außerhalb der ökonomischen Formbeziehung fällt, überhaupt außerhalb derselben fällt (…) Ricardo zum Beispiel, der glaubt, die bürgerliche Ökonomie handle nur vom Tauschwert und nehme bloß exoterisch Bezug auf den Gebrauchswert, nimmt gerade die wichtigsten Bestimmungen des Tauschwerts aus dem Gebrauchswert, seinem Verhältnis zu ihm: zum Beispiel Grundrente, Minimum des Arbeitslohns, Unterschied von fixem und zirkulierendem Kapital, dem gerade er bedeutendsten Einfluss auf die Bestimmung der Preise (…) zuschreibt; ebenso im Verhältnis von Nachfrage und Zufuhr usw.“ (MEW 42, S. 546)

Ricardo hat allerdings recht darin, „dass der Tauschwert die überwiegende Bestimmung ist. Aber der Gebrauch hört natürlich dadurch nicht auf, dass er nur durch den Tausch bestimmt ist; obgleich er natürlich seine Richtung selbst dadurch erhält.“ (MEW 42, S. 193)

„Brauchen ist Konsumieren, sei es für die Produktion oder Konsumtion. Tauschen ist dieser Akt, vermittelt durch einen gesellschaftlichen Prozess. Das Brauchen selbst kann gesetzt sein (durch den Tausch) und bloße Konsequenz sein des Tauschens; andererseits das Tauschen als Moment bloß des Brauchens erscheinen usw. Vom Standpunkt des Kapitals (in der Zirkulation) erscheint das Tauschen als Setzen seines Gebrauchswerts, während andererseits sein Brauchen (im Produktionsakt) als Setzen für den Tausch, als Setzen seines Tauschwerts erscheint. Es ist ebenso mit der Produktion und Konsumtion. In der bürgerlichen Ökonomie (wie in jeder) sind sie in spezifischen Unterschieden gesetzt. Es gilt eben, diese differentia specifica zu verstehen, (…) und nicht, wie Ricardo tut, rein davon zu abstrahieren, noch wie der fade Say mit der bloßen Voraussetzung des Wortes ‚Nützlichkeit‘ wichtig zu tun.“ Denn: „Der Gebrauchswert spielt selbst als ökonomische Kategorie eine Rolle. Wo er dies spielt, (…) wieweit der Gebrauchswert nicht nur als vorausgesetzter Stoff außerhalb der Ökonomie und ihrer Formbestimmung bleibt, und wieweit er in sie eingeht, geht aus der Entwicklung selbst hervor.“ (MEW 42, S. 546-547 und S. 193)

IV

Welches sind nun nach Marx die Fälle, wo der Gebrauchswert als solcher durch die Formverhältnisse der bürgerlichen Ökonomie modifiziert wird, oder wo er seinerseits in diese Formverhältnisse modifizierend eingreift – also selbst zu „ökonomischer Formbestimmung“ wird?

In den zitierten „Randglossen zu Adolf Wagner“ weist Marx darauf hin, dass selbst innerhalb der einfachen Warenzirkulation, bei der Entwicklung der Geldform der Ware, der Wert einer Ware sich darstellen muss „im Gebrauchswert, das heißt in der Naturalform der anderen Ware“. Das bedeutet nicht nur, dass das Geld nach Marx selbstverständlich Ware sein, also einen Gebrauchswert zur Substanz haben muss, sondern auch, dass dieser Gebrauchswert an ganz spezifische körperliche Eigenschaften der Geldware geknüpft ist, die sie eben zur Erfüllung ihrer Funktion befähigen.

„Die Untersuchung über die edlen Metalle als die Subjekte des Geldverhältnisses (…), die Inkarnation desselben, liegt also keineswegs, wie Proudhon glaubt, außerhalb des Bereichs der politischen Ökonomie, sowenig, wie die physische Beschaffenheit der Farben und des Marmors außerhalb des Bereichs der Malerei und Skulptur liegt. Die Eigenschaften, die die Ware als Tauschwert hat, und womit ihre natürlichen Qualitäten nicht adäquat sind, drücken die Ansprüche aus, die an die Waren zu machen, die kat’ exochen [im eigentlichen Sinne] das Material des Geldes sind. Diese Ansprüche, auf der Stufe, von der wir bisher allein sprechen können (das heißt auf der Stufe der rein metallischen Zirkulation; R. R.), sind am vollständigsten realisiert in den edlen Metallen.“ (MEW 42, S. 106)

Eben dank ihren spezifischen Eigenschaften, die sie zum ausschließlichen Geldmaterial machen, kann die die Funktion des allgemeinen Äquivalents erfüllende Ware ihren Gebrauchswert verdoppeln: „außer ihrem besonderen Gebrauchswert als besondere Ware“ auch einen „allgemeinen“ oder „formalen“ (MEW 13,S. 33) Gebrauchswert erhalten. „Dieser ihr Gebrauchswert ist selbst Formbestimmtheit, das heißt, geht aus der spezifischen Rolle hervor, die sie (die Geldware) durch die allseitige Aktion der anderen Waren auf sie im Austauschprozess spielt.“ (MEW 13, S. 33) Hier fällt somit „die stoffliche und Formveränderung zusammen, da im Geld der Inhalt selbst zur ökonomischen Formbestimmung gehört.“ (MEW 42, S. 568)

Von entscheidender Wichtigkeit ist das zweite Beispiel, auf welches Marx in den „Randglossen“ hinweist – der Austausch zwischen Kapital und Arbeit. Wenn wir die einfache Warenzirkulation betrachten, wie sie zum Beispiel an der „Oberfläche der bürgerlichen Welt“, im Kleinhandel, vorgeht, so erscheinen „ein Arbeiter, der einen Laib Brot kauft, und ein Millionär, der es kauft, (…) in diesem Akt nur als einfache Käufer, wie der Krämer ihnen gegenüber als Verkäufer erscheint. Alle anderen Bestimmungen sind hierin ausgelöscht. Der Inhalt ihrer Käufe, wie der Umfang derselben, erscheint gleichgültig gegen diese Formbestimmung.“ (MEW 42, S. 176-177) Ganz anders aber stellt sich die Sache dar, wenn wir von diesem Austausch an der Oberfläche zu dem das Wesen der kapitalistischen Produktionsweise bestimmenden Austausch zwischen Kapital und Arbeit übergehen. Denn, wenn in der einfachen Warenzirkulation „die Ware a gegen das Geld b ausgetauscht (wird), und dieses gegen die zur Konsumtion bestimmte Ware c – das ursprüngliche Objekt des Austauschs für a –, so fällt der Gebrauch der Ware c, ihr Konsum, ganz außerhalb der Zirkulation; geht die Form des Verhältnisses nichts an, (…) und ist rein stoffliches Interesse, das nur noch ein Verhältnis des Individuums in seiner Natürlichkeit zu einem Gegenstande seines vereinzelten Bedürfnisses ausdrückt. Was er mit der Ware c anfängt, ist eine Frage, die außerhalb des ökonomischen Verhältnisses liegt.“ (MEW 42, S. 200)

Wohingegen im Austausch zwischen Kapital und Arbeit eben der Gebrauchswert der vom Kapitalisten erworbenen Arbeitskraft die Voraussetzung des kapitalistischen Produktionsprozesses und des Kapitalverhältnisses selbst bildet. Der Kapitalist tauscht nämlich in dieser Transaktion eine Ware ein, deren Konsum „unmittelbar mit der Vergegenständlichung der Arbeit, also der Setzung des Tauschwerts, zusammenfällt“ (MEGA II/2, S. 90). War daher „bei der einfachen Zirkulation der Inhalt des Gebrauchswerts gleichgültig“, so erscheint umgekehrt hier „der Gebrauchswert des gegen Geld Eingetauschten als besonderes ökonomisches Verhältnis“, gehört selbst „in die ökonomische Formbestimmtheit, (…) weil der Gebrauchswert hier selbst durch den Tauschwert bestimmt ist.“ „Dies unterscheidet also“ – unterstreicht Marx – „schon formell den Austausch zwischen Kapital und Arbeit vom einfachen Austausch – zwei verschiedene Prozesse.“ (MEW 42, S. 232 und MEW 42, S. 200)

Wird so die Mehrwertschöpfung, also die Erhöhung des Tauschwerts des Kapitals, aus dem spezifischen Gebrauchswert der Ware Arbeitskraft hergeleitet, so muss andererseits die Nationalökonomie den dem Arbeiter zufallenden Anteil am Wertprodukt auf ein Äquivalent der zu seiner Erhaltung notwendigen Lebensmittel (im weiteren Sinn des Wortes) beschränken, also diesen Anteil im Grunde durch den Gebrauchswert bestimmen lassen. „Hier finden wir also“ – heißt es im Rohentwurf – das zur Entlohnung der Arbeiter dienende Kapital „auch nach der Seite des Gebrauchswerts hin bestimmt, als direkt in die individuelle Konsumtion eingehendes, und von ihr als Produkt aufzuzehrendes.“ (MEW 42, S. 576)

Auch im Zirkulationsprozess des Kapitals lässt sich das Hineinspielen des Gebrauchswerts in die ökonomischen Formverhältnisse auf Schritt und Tritt feststellen. Wir sehen hier von den vielfachen Weisen ab, wie die stoffliche Natur des Produkts auf die Dauer der Arbeitsperiode und der Zirkulationszeit einwirkt (vgl. MEW 24, insbesondere die Kapitel 5, 12 und 13), und gehen direkt zu der für den Zirkulationsprozess grundlegenden Unterscheidung zwischen fixem und zirkulierendem Kapital über, auf die Marx selbst in der zitierten Polemik gegen Ricardo hinweist.

Was das fixe Kapital anbetrifft, so zirkuliert es „nur als Wert in dem Masse, wie es als Gebrauchswert im Produktionsprozess abgenutzt oder konsumiert wird. Von seiner relativen Dauerhaftigkeit aber hängt die Zeit ab, in der es so konsumiert wird und in seiner Form als Gebrauchswert reproduziert werden muss. Die Dauerhaftigkeit desselben – das Mehr oder Weniger Zeit, worin es fortfahren kann, in den wiederholten Produktionsprozessen des Kapitals seine Funktion (…) zu erfüllen – diese Bestimmung seines Gebrauchswerts wird also hier ein formbestimmendes Moment, das heißt, bestimmend für das Kapital seiner Formseite nach, nicht seiner stofflichen nach. Die notwendige Reproduktionszeit des fixen Kapitals, ebensosehr wie die Proportion, in der es zum ganzen Kapital steht, modifizieren hier also die Umschlagszeit des Gesamtkapitals und damit seine Verwertung.“ (MEW 42, S. 586)

So erscheint in den Kategorien des fixen und des zirkulierenden Kapitals „der Unterschied der Elemente als Gebrauchswerte zugleich (…), als qualitativer Unterschied des Kapitals selbst und als seine Gesamtbewegung (Umschlag) bestimmend“ (MEW 42, S. 592). Hier tritt also wieder der Gebrauchswert als ökonomischer Faktor in den Prozess des Kapitals ein. In diesem Zusammenhang wäre auf Arbeitsmittel zu verweisen, die in der Form von Fabrikgebäuden, Eisenbahnen, Brücken, Tunnels, Docks usw. „als mit dem Boden vermähltes Kapital“ (MEW 42, S. 587) wirken. Der Umstand, dass solche Arbeitsmittel „lokal fixiert sind, mit ihren Wurzeln im Grund und Boden feststecken, weist diesem Teil des fixen Kapitals eine eigene Rolle in der Ökonomie der Nationen zu. Sie können nicht ins Ausland geschickt werden, nicht als Waren auf dem Weltmarkt zirkulieren. Die Eigentumstitel an diesem fixen Kapital können wechseln, es kann gekauft und verkauft werden und sofern ideell zirkulieren. Diese Eigentumstitel können sogar auf fremden Märkten zirkulieren, zum Beispiel in der Form von Aktien. Aber durch den Wechsel der Personen, welche Eigentümer dieser Art von fixem Kapital sind, wechselt nicht das Verhältnis des stehenden, materiell fixierten Teils des Reichtums in einem Land zu dem beweglichen Teil desselben.“ (MEW 24, S. 163)

Am klarsten aber tritt die Rolle des Gebrauchswerts im Reproduktionsprozess des Kapitals zutage, wie er sich im III. Abschnitt des II. Bandes des Kapitals darbietet. Schon zu Beginn seiner Analyse erklärt Marx: „Solange wir die Wertproduktion und den Produktenwert des Kapitals individuell betrachteten, war die Naturalform des Warenprodukts für die Analyse ganz gleichgültig, ob sie zum Beispiel aus Maschinen bestand oder aus Korn oder aus Spiegeln. Es war dies immer Beispiel, und jeder beliebige Produktionszweig konnte gleichmässig zur Illustration dienen. Womit wir es zu tun hatten, war der unmittelbare Produktionsprozess selbst, der auf jedem Punkt als Prozess eines individuellen Kapitals sich darstellt. Soweit die Reproduktion in Betracht kam (vgl. MEW 23, Kapitel 23 und 24), genügte es, zu unterstellen, dass innerhalb der Zirkulationssphäre der Teil des Warenprodukts, welcher Kapitalwert darstellt, die Gelegenheit findet, sich in seine Produktionselemente, und daher in seine Gestalt als produktives Kapital rückzuverwandeln; ganz wie es genügte, zu unterstellen, dass Arbeiter und Kapitalist auf dem Markte die Waren vorfinden, worin sie Arbeitslohn und Mehrwert verausgaben. Diese nur formelle Manier der Darstellung genügt nicht mehr bei Betrachtung des gesellschaftlichen Gesamtkapitals und seines Produktenwerts. Die Rückverwandlung eines Teils des Produktenwerts in Kapital, das Eingehen eines andern Teils in die individuelle Konsumtion der Kapitalisten- wie der Arbeiterklasse bildet eine Bewegung innerhalb des Produktenwerts selbst, worin das Gesamtkapital resultiert hat; und diese Bewegung ist nicht nur Wertersatz, sondern Stoffersatz, und ist daher ebensosehr bedingt durch das gegenseitige Verhältnis der Wertbestandteile des gesellschaftlichen Produkts, wie durch ihren Gebrauchswert, ihre stoffliche Gestalt.“ (MEW 24, S. 393)

Derselbe Standpunkt findet sich wieder in den Theorien, nur dass Marx hier expressis verbis auf die Bedeutung des Gebrauchswerts als einer ökonomischen Kategorie hinweist. „Bei der Betrachtung des Mehrwerts als solchen – ist die Naturalform des Produkts, also (auch) des Mehrprodukts, gleichgültig. Bei der Betrachtung des wirklichen Reproduktionsprozesses wird sie wichtig, teils um seine Formen selbst zu verstehen, teils um den Einfluss, den Luxusproduktion usw. auf die Reproduktion übt.“ „Hier“ – unterstreicht Marx – „erhalten wir wieder ein Beispiel, wie der Gebrauchswert als solcher ökonomische Wichtigkeit erhält.“ (MEW 26.3, S. 248) An einer anderen Stelle desselben Werkes untersucht Marx die Frage, „ob ein Teil des Mehrprodukts, worin sich der Mehrwert darstellt, direkt wieder als Produktionsmittel in seine eigene Produktionssphäre eingehen kann, ohne vorher veräußert zu werden.“ „Es gibt in den Industriebezirken“ – schreibt er – „Maschinenbauer, die ganze Fabriken für die Fabrikanten bauen. Gesetzt, ein Zehntel ihres Produkts sei Mehrprodukt oder unbezahlte Arbeit. Ob dieser Zehntel des Mehrprodukts in Fabrikgebäuden sich darstellt, die für Dritte gebaut und an sie verkauft sind, oder in einem Fabrikgebäude, das der Produzent für sich bauen lässt, an sich selbst verkauft, ändert offenbar nichts an der Sache. Es handelt sich hier nur um die Art des Gebrauchswerts, worin die Mehrarbeit sich darstellt, ob sie wieder als Produktionsmittel in die Produktionssphäre des Kapitalisten eingehen kann, dem das Mehrprodukt gehört. Hier haben wir wieder ein Beispiel von der Wichtigkeit des Gebrauchswerts für die ökonomischen Formbestimmungen.“ (MEW 26.2, S. 489)

Wenn wir nun zum Themenbereich des III. Bandes des Kapitals übergehen, so lassen sich auch hier zahlreiche Beispiele für die Bedeutung des Gebrauchswerts als einer ökonomischen Kategorie finden. Das versteht sich von selbst von der Grundrente, die auch Marx (wie Ricardo) letzten Endes „aus dem Verhältnis des Tauschwerts zum Gebrauchswert“ herleitet. Die Wichtigkeit des Gebrauchswerts zeigt sich aber ebenso in bezug auf die Profitrate, insofern diese von den Wertschwankungen der Rohstoffe abhängt. Denn „es sind namentlich eigentlich Agrikulturprodukte, der organischen Natur entstammende Rohstoffe, die solchen Wertschwankungen infolge wechselnder Ernteerträge usw. (…) unterworfen sind. Dasselbe Quantum Arbeit kann sich infolge unkontrollierbarer Naturverhältnisse, der Gunst oder Ungunst der Jahreszeiten usw. in sehr verschiedenen Mengen von Gebrauchswerten darstellen, und ein bestimmtes Maß dieser Gebrauchswerte wird danach einen sehr verschiedenen Preis haben.“ (MEW 25, S. 127-128) Solche Variationen der Preise aber „affizieren stets die Profitrate, auch wenn sie den Arbeitslohn, also die Rate und Masse des Mehrwerts, ganz unberührt lassen.“ (MEW 25, S. 115)

Besonders hervorgehoben werden muss der Einfluss des Gebrauchswerts auf die Kapitalakkumulation. „Man hat bisher in der marxistischen Literatur“ – schreibt H. Grossmann – „immer wieder bloß die Tatsache betont, dass im Fortschritt der kapitalistischen Produktion und der Kapitalakkumulation, mit der Steigerung der Produktivität der Arbeit und dem Übergang zur höheren organischen Zusammensetzung des Kapitals, die Wertmasse des konstanten Kapitals absolut und im Verhältnis zum variablen wächst. Dieses Phänomen bildet jedoch bloß die eine Seite des Akkumulationsprozesses, soweit man ihn nämlich nur von der Wertseite betrachtet. Aber, wie nicht oft genug wiederholt werden kann, der Reproduktionsprozess ist nicht bloß ein Verwertungsprozess, sondern auch ein Arbeitsprozess, er produziert nicht bloß Werte, sondern auch Gebrauchswerte.“ Und „von der Gebrauchswertseite betrachtet, wirkt die Steigerung der Produktivkraft nicht bloß in der Richtung der Entwertung des vorhandenen Kapitals, sondern auch in der Richtung der mengenmäßigen Steigerung der Gebrauchsdinge.“ (H. Grossmann, Das Akkumulations- und Zusammenbruchsgesetz des kapitalistischen Systems, Leipzig 1929, S. 326-328)

Wie sich das auf den Prozess der Kapitalakkumulation auswirkt, kann man im Band III des Kapitals nachlesen: „Direkt kann die Steigerung der Produktivkraft (…) die Wertgröße des Kapitals nur vermehren, wenn sie durch Erhöhung der Profitrate den Wertteil des jährlichen Produkts vermehrt, der in Kapital rückverwandelt wird (…) Aber indirekt trägt die Entwicklung der Produktivkraft bei zur Vermehrung des vorhandenen Kapitalwerts, indem sie die Masse und Mannigfaltigkeit der Gebrauchswerte vermehrt, worin sich derselbe Tauschwert darstellt, und die das materielle Substrat, die sachlichen Elemente des Kapitals bilden, die stofflichen Gegenstände, woraus das konstante Kapital direkt und das variable wenigstens indirekt besteht. Mit demselben Kapital und derselben Arbeit werden mehr Dinge geschaffen, die in Kapital verwandelt werden können, abgesehen von ihrem Tauschwert. Dinge, die dazu dienen können, zusätzliche Arbeit einzusaugen, also auch zusätzliche Mehrarbeit, und so zusätzliches Kapital zu bilden.“ Denn: „Die Masse Arbeit, die das Kapital kommandieren kann, hängt nicht ab von seinem Wert, sondern von der Masse Roh- und Hilfsstoffe, der Maschinerie und Elemente des fixen Kapitals, der Lebensmittel, woraus es zusammengesetzt ist, was immer deren Wert sei. Indem damit die Masse der angewandten Arbeit, also auch Mehrarbeit wächst, wächst auch der Wert des reproduzierten Kapitals und der ihm neu zugesetzte Surpluswert.“ (MEW 25, S. 258-259)

V

Mit besonderer Ausführlichkeit wird in Band III des Kapitals das Problem der Nachfrage und Zufuhr (des Angebots) behandelt. Dieses Problem hängt aufs engste mit der vieldiskutierten Frage der gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit zusammen, deren eingehende Erörterung schon in unserem ersten, dem Marxschen Rohentwurf gewidmeten Kyklos-Artikel (Bd. VI, Nr. 2, S. 162-163, Anm. 65) angesagt wurde. „Gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit“ – lesen wir gleich zu Beginn des I. Bandes des Kapitals, „ist Arbeitszeit, erheischt, um irgendeinen Gebrauchswert mit den vorhandenen gesellschaftlich-normalen Produktionsbedingııngen und dem gesellschaftlichen Durchschnittsgrad von Geschick und Intensität der Arbeit darzustellen“, und es ist „nur die zur Herstellung eines Gebrauchswerts gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit (in diesem Sinne), welche seine Wertgröße bestimmt.“ (MEW 23, S. 53-54)

Dieser „technologischen“ Deutung des Begriffs der gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit begegnen wir immer wieder im Kapital und in anderen Marxschen Werken. Daneben findet sich aber auch eine andere Deutung, wonach nur jene Arbeit als „gesellschaftlich notwendig“ gelten könne, die dem gesellschaftlichen Gesamtbedarf nach einem bestimmten Gebrauchswert entspreche. So heißt es schon im I. Band des Kapitals: „Gesetzt (…) jedes auf dem Markt vorhandene Stück Leinwand enthalte nur gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit (im technologischen Sinn; R. R.). Trotzdem kann die Gesamtsumme dieser Stücke überflüssig verausgabte Arbeitszeit enthalten. Vermag der Marktmagen das Gesamtquantum Leinwand, zum Normalpreis von 2 Schilling per Elle, nicht zu absorbieren, so beweist das, dass ein zu großer Teil der gesellschaftlichen Gesamtarbeitszeit in der Form der Leinweberei verausgabt wurde. Die Wirkung ist dieselbe, als hätte jeder einzelne Leinweber mehr als die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit auf sein individuelles Produkt verwandt. Hier heisst’s: mitgefangen, mitgehangen. Alle Leinwand auf dem Markt gilt nur als ein Handelsartikel, jedes Stück nur als aliquoter Teil. Und in der Tat ist der Wert jeder individuellen Elle ja auch nur die Materiatur eines Teils des im Gesamtquantum der Ellen verausgabten gesellschaftlichen Arbeitsquantums.“ (MEW 23, S. 121-122)

In demselben Sinn aber äußert sich Marx auch an zahlreichen anderen Stellen. Und Friedrich Engels fasst sogar beide Deutungen in einer Definition zusammen, indem er gegen Rodbertus sagt: „Hätte er untersucht, wodurch und wie die Arbeit Wert schafft und daher auch bestimmt und misst, so kam er auf die gesellschaftlich notwendige Arbeit – notwendig für das einzelne Produkt sowohl gegenüber andern Produkten derselben Art, wie auch gegenüber dem gesellschaftlichen Gesamtbedarf.“ (MEW 21, S. 185)

Die Verquickung dieser beiden Deutungen der „gesellschaftlich notwendigen Arbeit“ wurde von zahlreichen Autoren als ein unerträglicher Widerspruch empfunden. In Wirklichkeit ist der Widerspruch nur scheinbar; es handelt sich eben um zwei verschiedene Stufen der Untersuchung, die das Operieren mit zwei verschiedenen, aber einander ergänzenden Begriffen erforderten. Darüber heißt es in Band III des Kapitals: „Dass die Ware Gebrauchswert hat, heißt nur, dass sie irgendein gesellschaftliches Bedürfnis befriedigt. Solange wir nur von den einzelnen Waren handelten, konnten wir unterstellen, dass das Bedürfnis für diese bestimmte Ware – in dem Preis schon ihr Quantum eingeschlossen – vorhanden sei, ohne uns auf das Quantum des zu befriedigenden Bedürfnisses weiter einzulassen. Dieses Quantum wird aber ein wesentliches Moment, sobald das Produkt eines ganzen Produktionszweiges auf der einen Seite, und das gesellschaftliche Bedürfnis auf der anderen Seite steht. Es wird jetzt notwendig, das Maß, das heißt das Quantum dieses gesellschaftlichen Bedürfnisses, zu betrachten.“ (MEW 25, S. 194)

Ähnlich heißt es schon im Rohentwurf: „Zunächst, ganz oberflächlich betrachtet, ist die Ware nur Tauschwert, insofern sie zugleich Gebrauchswert, das heißt Objekt der Konsumtion ist (…).“ Der Gebrauchswert ist aber immer ein „bestimmter, einseitiger, qualitativer Gebrauchswert. (…) Der Gebrauchswert an sich hat nicht die Maßlosigkeit des Werts als solchen. Nur bis zu einem gewissen Grade können gewisse Gegenstände konsumiert werden und sind sie Gegenstände des Bedürfnisses. Zum Beispiel: Es wird nur bestimmtes Quantum Getreide verzehrt usw. Als Gebrauchswert hat daher das Produkt in sich selbst eine Schranke – eben die Schranke des Bedürfnisses danach –, die aber nicht am Bedürfnis der Produzenten, sondern dem Gesamtbedürfnis der Austauschenden nun gemessen wird. Wo der Bedarf von einem bestimmten Gebrauchswert aufhört, hört er auf, Gebrauchswert zu sein.“ Damit ist aber „die Gleichgültigkeit des Werts als solchen gegen den Gebrauchswert (…) ebenso in falsche Position gebracht, wie andererseits die Substanz und das Maß des Werts als vergegenständlichte Arbeit überhaupt.“ (MEW 42, S. 318-320)

In der bisherigen Untersuchung wurde von einer Reihe vereinfachender Annahmen ausgegangen. Es wurde erstens angenommen, dass die Waren sich zu ihren Werten austauschen, und zweitens, dass sie immer ihre Käufer finden. Nur auf diesem Wege war es möglich, den Produktions- und den Zirkulationsprozess des Kapitals in reiner Gestalt, ohne Einwirkung „störender Nebenumstände“, zu entwickeln. Nun aber muss das bisher vernachlässigte Moment der Nachfrage und Zufuhr zu seinem Recht kommen, in die ökonomische Analyse miteinbezogen werden.

Was die Zufuhr anbetrifft, so bedeutet das zunächst, dass wir an Stelle einer einzelnen Ware (oder des von einem einzelnen Kapitalisten produzierten Warenquantums) das Gesamtprodukt eines ganzen Produktionszweiges zu setzen haben. Für die einzelne Ware ging die Bestimmung der gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit daraufhinaus, dass „der individuelle Wert (und was unter dieser Voraussetzung dasselbe, der Verkaufspreis) der Ware (…) mit ihrem gesellschaftlichen Wert zusammenfalle“ (MEW 25, S. 191). Ganz anders, wenn es sich um das Gesamtprodukt eines Produktionszweiges handelt. Hier kann die Bedingung der gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit nur für die ganze Warenmasse zutreffen; hier muss daher zwischen dem individuellen Wert der Waren und ihrem gesellschaftlichen Wert unterschieden werden. Der gesellschaftliche Wert nimmt jetzt die Form des Marktwerts an, der den Durchschnittswert der Warenmasse darstellt, und von dem deshalb die individuellen Werte einiger Waren immer abweichen müssen – sei es, dass sie über oder unter dem genannten Marktwert stehen. Denn in jedem Produktionszweig lassen sich im allgemeinen drei Klassen von Produzenten unterscheiden: Produzenten, die bei durchschnittlichen, bei über- und bei unterdurchschnittlichen Bedingungen produzieren. „Es wird namentlich von dem numerischen Verhältnis oder dem proportionellen Größenverhältnis der Klassen abhängen, welche den Durchschnittswert definitiv settled.“ (MEW 26.2, S. 202). In der Regel wird es die mittlere Klasse sein; in diesem Falle wird der unter schlechteren Bedingungen produzierte Teil der Warenmasse unter seinem individuellen Wert losgeschlagen werden müssen, während die unter besseren als durchschnittlichen Bedingungen erzeugten Waren einen Extraprofit erzielen. Es kann aber auch vorkommen, dass gerade die über oder die unter den Durchschnittsbedingungen stehende Klasse stark überwiegt; im ersten Falle werden deshalb die unter besseren, im zweiten die unter schlechteren Bedingungen erzeugten Waren den Marktwert bestimmen.

So stellt sich die Bestimmung des Marktwerts dar, wenn wir nur die auf den Markt geworfene Warenmasse betrachten und von der Möglichkeit einer Inkongruenz zwischen der Zufuhr und der Nachfrage absehen. Ist nämlich „die Nachfrage geradeso groß (…), um die Warenmasse zu ihrem so festgesetzten Werte zu absorbieren“, dann „wird die Ware zu ihrem Marktwert verkauft, welcher der drei vorhin untersuchten Fälle auch diesen Marktwert regulieren möge. Die Warenmasse befriedigt nicht nur ein Bedürfnis, sondern sie befriedigt es in seinem gesellschaftlichen Umfang.“ (MEW 25, S. 195) Wir wissen aber: in der kapitalistischen Produktionsweise „existiert kein notwendiger, sondern nur zufälliger Zusammenhang zwischen dem Gesamtquantum der gesellschaftlichen Arbeit, das auf einen gesellschaftlichen Artikel verwandt ist (…) einerseits, und zwischen dem Umfang andererseits, worin die Gesellschaft Befriedigung des durch jenen bestimmten Artikel gestillten Bedürfnisses verlangt. Obgleich jeder einzelne Artikel oder jedes bestimmte Quantum einer Warensorte nur die zu seiner Produktion erheischte gesellschaftliche Arbeit enthalten mag, und von dieser Seite her betrachtet der Marktwert dieser gesamten Warensorte nur notwendige Arbeit darstellt, so ist doch, wenn die bestimmte Ware in einem das gesellschaftliche Bedürfnis dermalen überschreitenden Maß produziert worden, ein Teil der gesellschaftlichen Arbeitszeit vergeudet, und die Warenmasse repräsentiert dann auf dem Markt ein viel kleineres Quantum gesellschaftlicher Arbeit, als wirklich in ihr enthalten ist. (…) Umgekehrt, wenn der Umfang der auf die Produktion einer bestimmten Warensorte verwandten gesellschaftlichen Arbeit zu klein für den Umfang des durch das Produkt zu befriedigenden besonderen gesellschaftlichen Bedürfnisses.“ (MEW 25, S. 196-197)

In beiden Fällen wird die früher „abstrakt dargestellte Festsetzung des Marktwerts“ modifiziert, und zwar so, „dass wenn das Quantum (der Zufuhr) zu klein, stets die unter den schlechtesten Bedingungen produzierte Ware den Marktwert reguliert, und wenn zu groß, stets die unter den besten Bedingungen produzierte; dass also eines der Extreme den Marktwert bestimmt, trotzdem dass nach dem bloßen Verhältnis der Massen, die unter den verschiedenen Bedingungen produziert sind, ein anderes Resultat stattfinden müsste.“ (MEW 25, S. 195)

Man sieht: welche der drei Klassen den Marktwert festsetzt, hängt nicht nur von der proportionalen Stärke der Klasse, sondern in gewissem Sinne auch vom Verhältnis der Zufuhr und Nachfrage ab. Wird aber nicht dadurch die Marxsche Werttheorie selbst über den Haufen geworfen? Mit nichten. Dem wäre nur so, wenn jedes Überwiegen der Nachfrage über die Zufuhr oder vice versa zu einer proportionellen Erhöhung oder Senkung des Marktwertes selbst führen würde. In diesem Falle aber wäre der Marktwert mit dem Marktpreis identisch, oder er müsste – wie sich Marx an einer Stelle ausdrückt – „über sich selbst stehn“ (MEW 26.2, S. 270). Denn nach der Marxschen Auffassung kann sich der Marktwert immer nur innerhalb der Grenzen bewegen, die durch die Produktionsbedingungen (und daher durch den individuellen Wert) einer der drei Klassen bestimmt sind.

„Ein Unterschied von Marktwert und individuellem Werte“ – steht in dem der Grundrente gewidmeten Teil der Theorien – „kommt überhaupt nur vor, nicht weil Produkte absolut über ihrem Werte verkauft werden, sondern weil der Wert, den das Produkt einer ganzen Sphäre hat, verschieden sein kann von dem Werte des einzelnen Produkts (…) Der Unterschied von Marktwert und individuellem Werte eines Produkts kann sich daher nur auf die verschiedene Produktivität beziehen, womit ein bestimmtes Quantum Arbeit verschiedene Portionen des Gesamtprodukts hervorbringt. Er kann sich nie darauf beziehen, dass der Wert unabhängig vom Arbeitsquantum, das in dieser Sphäre überhaupt angewandt ist, bestimmt wird.“ (MEW 26.2, S. 269)

Wird also infolge der Marktlage die Warenmasse über dem individuellen Wert der unter schlechtesten Bedingungen oder umgekehrt unter dem individuellen Wert der unter besten Bedingungen erzeugten Waren verkauft, so liegt zwar eine Abweichung des Marktpreises von dem Marktwert, nicht aber eine Änderung des Marktwerts selbst vor. „Dieser Marktwert kann nie größer sein, als der individuelle Wert des Produkts der mindest-fruchtbaren Klasse (der Kohlenbergwerke). Wäre er höher, so bewiese das nur, dass der Marktpreis über dem Marktwert steht. Der Marktwert aber muss wirklichen Wert darstellen.“ (MEW 26.2, S. 266) Und dieses Regulieren der zeitweiligen Schwankungen der Marktpreise ist natürlich die hauptsächlichste Funktion, die dem Verhältnis von Nachfrage und Angebot im System der bürgerlichen Ökonomie zukommt.

Worauf es uns hier ankam, war ja nur, zu zeigen, dass Marx mit strenger Folgerichtigkeit das Problem der „gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit“ auf zwei verschiedenen Stufen behandelt, und dass er auf diesem Wege eben das Moment des gesellschaftlichen Bedarfs, das heißt des Gebrauchswerts, ins richtige Licht setzen wollte.

„Denn Bedingung“ – heißt es an einer Stelle des III. Bandes – „bleibt der Gebrauchswert. Wenn aber der Gebrauchswert bei der einzelnen Ware davon abhängt, dass sie an und für sich ein Bedürfnis befriedigt, so bei der gesellschaftlichen Produktenmasse davon, dass sie dem quantitativ bestimmten gesellschaftlichen Bedürfnis für jede besondere Art von Produkt adäquat, und die Arbeit daher im Verhältnis dieser gesellschaftlichen Bedürfnisse, die quantitativ umschrieben sind, in die verschiedenen Produktionssphären proportionell verteilt ist. (…) Das gesellschaftliche Bedürfnis, das heißt der Gebrauchswert auf gesellschaftlicher Potenz, erscheint hier bestimmend für die Quota der gesellschaftlichen Gesamtarbeitszeit, die den verschiedenen besonderen Produktionssphären anheimfallen. Es ist aber nur dasselbe Gesetz, das sich schon bei der einzelnen Ware zeigte, nämlich: dass ihr Gebrauchswert Voraussetzung ihres Tauschwerts und damit ihres Werts ist (…) Diese quantitative Schranke der auf die verschiedenen besonderen Produktionssphären verwendbaren Quoten der gesellschaftlichen Arbeitszeit ist nur weiterentwickelter Ausdruck des Wertgesetzes überhaupt; obgleich die notwendige Arbeitszeit hier einen andern Sinn erhält. Es ist nur soundso viel davon notwendig zur Befriedigung des gesellschaftlichen Bedürfnisses. Die Beschränkung tritt hier ein durch den Gebrauchswert.“ (MEW 25, S. 648-649)

Auch hier zeigt es sich also, wie der Gebrauchswert als solcher in die Verhältnisse der auf Tauschwert gegründeten bürgerlichen Ökonomie hineinspielt, wie er daher selbst zu einer ökonomischen Kategorie wird.

Mit diesem letzten Beispiel kann unsere Untersuchung abgeschlossen werden. Ob die zahlreichen, von uns gebrachten Auszüge aus dem Rohentwurf und anderen Werken uns Recht geben und tatsächlich, wie wir glauben, zu einer teilweisen Revision der bisherigen Auslegungen der ökonomischen Theorie von Marx führen müssen, wird von der künftigen Marx-Forschung entschieden werden.

*) aus: KYKLOS. Internationale Zeitschrift für Sozialwissenschaften, Vol. XII 1959, Basel, S. 27-56 (redaktionell gekürzte Fassung)

Wir danken Diane Rosdolsky für die Erlaubnis zum Abdruck.

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Erstveröffentlichung im FORVM:
August
2017
, Seite 8
Autor/inn/en:

Roman Rosdolsky:

Geboren 1898 in Lemberg, gestorben 1967 in Detroit. Marxistischer Theoretiker und Mitbegründer der Kommunistischen Partei Ostgaliziens, studierte Rechts- und Staatswissenschaft — ab 1919 in Prag, ab 1924 in Wien. 1934 kehrte er nach Lemberg zurück, übersiedelte 1939 in das nationalsozialistisch besetzte Krakau, um sich als Trotzkist der bolschewistischen Verfolgung zu entziehen. Dort wurden er und seine Frau Emily im Herbst 1942 von der Gestapo verhaftet, da sie sich ‚schuldig‘ gemacht hatten, Juden zu verstecken. Roman Rosdolsky wurde nach Auschwitz und später in die Konzentrationslager Ravensbrück und Sachsenhausen deportiert. 1947 emigrierte er mit seiner Frau und seinem Sohn aus Angst vor dem stalinistischen Terror aus dem sowjetisch besetzten Österreich in die USA.

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