Internationale Situationniste » Numéro 10
Pierre Gallissaires (Übersetzung) • Hanna Mittelstädt (Übersetzung) • Situationistische Internationale

Beitrag zum Programm der Arbeiterräte in Spanien

Zur Zeit entwickelt sich in Spanien eine neue Strömung der Kritik der Gesellschaft, mit der wir in bemerkenswertem Maße übereinstimmen. Diese Strömung soll nicht nur das Franco-Regime als einen besonderen Fall der Rückständigkeit der aktuellen Formen der Macht bekämpfen, sondern auch alle Formen der weltweiten Macht verneinen, da sie sich darauf vorbereitet, der nächsten spanischen Form der kapitalistischen Macht entgegenzutreten. Ihr Ziel ist die Bildung einer Alternative angesichts des nahen Endes des Franco-Regimes: entweder der moderne Kapitalismus, wie er in den EWG-Ländern besteht oder der Sozialismus, d.h. die Arbeitermacht, wie sie nirgends auf der Welt existiert. Diese Strömung widersetzt sich allen alten politischen Organisationen der spanischen Linken, die einem Kampf für solche Ziele feindlich gesinnt sind. In ihr selbst steht die klare Kritik der gegenwärtigen Verhältnisse einem immer noch konfusen Teil gegenüber, der Bruchstücke alter revolutionärer Ideologie aufrechterhält. Die notwendige Arbeit der Klärung und der objektiven Diskussion wird durch die Schwierigkeit der geheimen Aktion, sowie die verschiedenen Zensurformen des Franco-Regimes noch erschwert. Der konfuse Zusammenbruch der alten linken Politik außerhalb Spaniens beleuchtet auf negative Weise die Bedingungen und Aufgaben der spanischen Genossen, während die positive Erfahrung, die die neue radikale Kritik mit sich bringen kann, jedoch durch ihre zur Zeit äußerst beschränkte Basis immer noch begrenzt ist.

Diese Strömung hat zunächst versucht, sich in Spanien durch die FLP-Organisation (Frente de Liberación Popular, Volksbefreiungsfront) Ausdruck zu verschaffen. Dieses Experiment war aber trügerisch, weil es, ähnlich wie die algerische FNL von 1954, Gruppen zusammenbrachte, die aus verschiedenen traditionellen Parteien kamen und entschlossen waren, zusammen zu handeln, indem sie die Frage eines Programms beiseite ließen. In diesem theoretischen Nebeneinander erkannte der radikale Flügel schnell den hauptsächlichen Grund eines gegenwärtigen Stillstands (die unzulängliche Verbindung mit den streikenden Arbeitern) und eine sichere Unfähigkeit, die unerlässliche Klärung angesichts der zukünftigen Krise der spanischen Gesellschaft zu gewähren. Seit Januar 1965 gibt die fortgeschrittenste Tendenz, die aus den in den letzten Jahren geführten Diskussionen hervorgegangen ist, die Zeitschrift Acción Comunista heraus, von der schon vier Nummern veröffentlicht wurden. Laut deren Anfangserklärung „beginnt das aus revolutionären Marxisten und Mitgliedern verschiedener Arbeiterorganisationen bestehende Redaktionskomitee von Acción Comunista mit diesen kollektiv verfassten Artikeln, die politische Plattform der sozialistischen Revolution in Spanien auszuarbeiten.“ Diese Plattform muss vertieft und präzisiert werden, „indem man mit den Beiträgen und der Kritik all derer rechnet, die in den beiden grundsätzlichen Punkten unserer Plattform mit uns übereinstimmen — der Notwendigkeit und der Möglichkeit der sozialistischen Alternative zur gegenwärtigen Entwicklung des Kapitalismus in Spanien, sowie der Notwendigkeit des Aufbaus einer authentischen revolutionären Arbeiterpartei.“ Wir greifen hier in diese Diskussion ein, indem wir die radikale Perspektive berücksichtigen, die reichlich in ihr vertreten wird — vor allem in Lorenzo Torres Artikel „Von den Arbeiterkommissionen zu den Arbeiterräten“ (Nr. 2) —, sowie den entschieden internationalistischen Charakter der Stellungen der Genossen von Acción Communista.

Wir sind der Meinung, dass die von Acción Comunista eingeleitete theoretische Diskussion schon hauptsächlich vier Punkte behandelt: die Kenntlichmachung der heutigen spanischen Ökonomie und Gesellschaft; das allgemeine Ziel einer radikalen Strömung in Spanien; die Einschätzung des gegenwärtigen Zustands der revolutionären Weltbewegung und die Frage der revolutionären Organisation. Was die beiden ersten Punkte betrifft, so stimmen wir den gebilligten Positionen völlig zu. Bei den beiden letzten Punkten, an denen die Diskussion nicht so weit fortgeschritten ist, sind die zutagegetretenen Auffassungen und die Argumente selbst weniger klar, so dass wir einige Bemerkungen äußern sollten, von denen wir hoffen, dass sie von Nutzen sind.

Acción Comunista zeigt, dass man Spanien nicht mehr als ein wirtschaftlich unterentwickeltes Land betrachten kann, was von allen traditionellen Arbeiterparteien weiterhin dogmatisch getan wird. Die Entwicklung des Kapitalismus unter Franco in den letzten zehn Jahren als ein Teil des Weltprozesses hat alle spanischen Verhältnisse tiefgreifend verändert. Die Hauptgrundlage der herrschenden Klasse ist nicht mehr die Bourgeosie der Grundbesitzer wie in den dreißiger Jahren, sondern die eng mit dem internationalen Kapital verflochtene industrielle Bourgeoisie. Das zeigen der breite gegenwärtige Aufschwung, die schnelle Abnahme des landwirtschaftlichen Proletariats und dessen Aufsaugen durch die neuen Fabriken, der Erfolg der spanischen Fertigwaren auf dem internationalen Markt (z.B. in Kuba). Diese Entwicklung, die auch die Wiederaufnahme der Arbeiterkämpfe seit 1962 nach sich zog, führt die herrschende Klasse dazu, nach „europäischen Ausbeutungsformen“ für die Zeit kurz nach dem Frankismus zu suchen. Die neo-kapitalistische Lösung des Franco-Regimes hat ihre politische Macht mit Unterstützung der Kirche in einer pseudo-illegalen christlich-demokratischen Partei organisiert, die nach der Einigung der Katholiken in der Opposition strebt. Durch die ihr beigetretenen Professoren konnte diese Partei im wesentlichen die Studentenopposition leiten, indem sie besonders darauf achtete, jede Verbindung zwischen Arbeiter- und Studentendemonstrationen zu verhindern (das wird durch die neuste Affäre der Studenten veranschaulicht, die in einem Kloster in Barcelona, das ihnen Asyl gewährt hatte, von der Polizei umzingelt wurden). Da die christliche Demokratie jedoch weiß, dass die katholischen Gewerkschaften nicht ausreichen, um die schmerzlose Entbindung des neuen Regimes zu garantieren, sucht sie nach zusätzlichen „Arbeiterorganisationen“, die die Operation sichern, um die Arbeiter während einer ausreichenden Frist einzuschläfern. Diese wird sie in der spanischen sozialistischen Partei finden — vor allem in den Kreisen, die eine technokratische Erneuerung dieses Reformismus zum Ausdruck bringen, wie z.B. T. Galvan. Das Programm einer „nationalen Versöhnung“ der stalinistischen Partei ist einer solchen Kollaboration völlig zugeneigt. Nur die illusorische Furcht der spanischen Bourgeoisie vor den „Roten“ kann sie in diesem Fall den sich anbietenden guten Willen ablehnen lassen. Man kann hinzufügen, dass die neuesten Verhandlungen zwischen der CNT und den phalangistischen Gewerkschaften derselben Strömung einer Unterwerfung unter die bürgerliche Entwicklung zuzuschreiben sind. Acción Comunista akzeptiert den heutigen Kampf für die Demokratisierung, indem sie von vornherein seine Grenzen zeigt und ihm ihre eigene Perspektive entgegensetzt — an den schon illegal bzw. halb legal vorhandenen Arbeiterkommissionen und Fabrikkomitees teilnehmen, um sie über deren lokale, regionale und nationale Koordination hinaus bis zur Umwandlung in Arbeiterräte weiterzuentwickeln. Diese Funktionsänderung und Einigung der einheitlichen Arbeiterversammlungen würde zur klassischen Situation der doppelten Macht führen und die Alternative zwischen Kapitalismus und Arbeitermacht praktisch zur Erscheinung bringen. Acción Comunista stellt diese Zukunft nicht als wahrscheinlich sondern als möglich dar, sie wird vom Bewusstsein der Massen und von den programmatischen Formulierungen abhängen, die die revolutionären Elemente bei ihnen entwickeln werden. Allen organisierten politischen Gruppen ist eine solche Tätigkeit fremd, wie z.B. der Kampf der Madrider Metallarbeiter zeigt, der außerhalb des Einflusses dieser Gruppen von den Arbeiterkommissionen der Metallindustrie geleitet wurde. Acción Comunista unterstützt die Macht der Arbeiterräte und verteidigt ein soziales Gesellschaftmodell, das sich mit der ökonomischen und politischen Herrschaft einer Bürokratie nicht vereinbaren lässt: „Wenn eine Klasse den Kampf gegen eine gewerkschaftliche Bürokratie (in dem Fall gegen die phalangistische Bürokratie) praktisch erlernt hat, kann sie leicht die Gefahr jeder Bürokratie verstehen, die Notwendigkeit einer echten Arbeiterdemokratie, sowohl innerhalb ihrer eigenen Organisationen als auch außerhalb … und die Notwendigkeit der direkten Wahl aller ihrer Delegierten für die Werkstatt, den Betrieb und auf nationaler Ebene“ (Nr. 2, S.22). Ist die bürokratische Gefahr im Fall eines Sieges groß, so würde auf eine einfachere Weise der Wiederaufbau einer die kapitalistische Ordnung bewahrenden „Volksfront“, wie so viele Kräfte in der Opposition sie wünschen, die Niederlage jeder sozialistischen Perspektive am Ende des Franco-Regimes bedeuten.

In dem Augenblick, wo die Genossen von Acción Comunista sich darauf vorbereiten, in ihrem Land einen totalen Kampf gegen den modernen Kapitalismus und die bürokratischen Organisationen zu führen, deren reaktionäre Funktion sie im voraus entlarven, scheinen nicht alle vollkommen zu verstehen, was dieser kapitalistische Modernismus und diese bürokratische Macht auf Weltebene zur Folge haben — ihre gegenseitige Beeinflussung als gleichzeitig rivalisierende und solidarische Elemente. Die Theorie der revolutionären Organisation kann selbstverständlich nicht von einer solchen konsequenten Analyse getrennt werden. Acción Comunista kündigt „eine totale Freiheit der Kritik an den zahlreichen und täglich offensichtlicheren negativen Aspekten“ der sogenannten sozialistischen Länder an (Nr. 1, S. 26/27), deren Weltkrise erfreulicherweise ihre Rückwirkung in der Zersplitterung der Illusionen hatte, die die von der Bürokratie beeinflussten illegalen Organisationen in Spanien nähren, und sie verlangt „eine wissenschaftliche Analyse des sozialen Regimes dieser Länder“. Eine solche Analyse wird allerdings nicht ausreichend entworfen. Der Mangel an Genauigkeit über die präzise Natur der Unterdrückung in Russland oder in China wird noch größer bei Kuba, wo ein Teil der Redaktion eine Zeit lang anscheinend mit Castros „Antidogmatismus“ fast zufrieden war. Gleichfalls wird die marxistische Kritik der Ideologie in Acciòn Comunista nur noch verschwommen wiederaufgenommen und ohne eine solche Basis ist es unmöglich, die Bürokratie der Berufsführer zu verstehen und wirksam zu bekämpfen. Gleichwohl scheint die durch Acción Comunista erwähnte demokratische Arbeiterorganisation ein Projekt zu sein, das sich noch unvollständig vom Leninismus losgelöst hat: der Vorschlag, Funktionäre seien zwangsläufig die Minderheit in ihrem „ZK“ ist ohne Zweifel eine formell ungenügende Vorsichtsmaßnahme im Kampf gegen die Bürokratisierung der Partei selbst. Wenn Acciòn Comunista das Projekt einer nicht-bürokratischen Einheitsgewerkschaft akzeptiert, erkennt sie gleichfalls nur wenige Zeilen weiter an, dass die voraussehbare gewerkschaftliche Teilung und die Beispiele eines integrierten Syndikalismus in den modernen kapitalistischen Ländern dieses Projekt sehr ungewiss machen: die einheitlichen Betriebskomitees müssen den Vorrang behalten (dann ist aber der offene Kampf zwischen diesen Versammlungen und jeder Gewerkschaft unvermeidlich vorauszusehen). Acción Comunista, die sich um eine konkrete Diskussion unter schwierigen Umständen bemüht und zum großen Teil die zu diskutierende Informationsbasis erst schaffen muss, hat ihren Lesern einige klassische Texte der Arbeiterbewegung vorgelegt. Dabei herrscht jedoch ein gewisser Empirismus, da von der Redaktion keine Kritik im Hinblick auf eine bestimmte Perspektive geübt wird. So findet man gute Dokumente — über das Programm des „Spartakusbundes“, Christian Rakovskys Brief an Valentinov, Texte der I.A.A. und ein noch geplanter Text aus Geschichte und Klassenbewusstsein — neben Trotzkis Bürokratieanalyse von 1936. In der vierten Nummer ist Marx Ansprache der Zentralbehörde an den Bund vom März 1850 einerseits richtig in dem Teil, in dem die Arbeiter gewarnt werden vor dem Mangel an einer selbständigen Politik und den Folgen einer Politik, die sich vom Kleinbürgertum ins Schlepptau nehmen lässt, recht gefährlich aber am Ende, wo der jakobinistische Staatszentralismus befürwortet wird. Der erste Teil lässt sich genau auf Spanien und auf die herannahende Krise anwenden, während das Ende durch alle Beispiele proletarischer Revolutionen unserer Zeit verworfen wird und schon auf die spanische Situation im Jahre 1936 nicht anwendbar war, in der die regionale Autonomie die Grundlage gewesen ist, durch die die radikalsten Tendenzen zum Ausdruck kommen konnten. Die gegenwärtige Position von Acción Comunista sollte vielmehr zwangsläufig dazu führen, die Geschichte einer Partei wie der KAPD des Jahres 1920 in Deutschland zu erforschen. Gleichfalls wird das reichhaltige Experiment der spanischen Revolution bisher seltsamerweise vernachlässigt. Das revolutionäre Problem kann man nur in einer weltweiten und totalen Form aufrollen. Genauso wenig wie die ganze Breite ihres Kampfes kann die Revolution ihre eigene Vergangenheit vergessen. Acción Comunista weiß das, sie will, dass ihre Militanten „in der ersten Reihe an allen Fronten des Kampfes stehen“. Die grundsätzliche theoretische Kritik der politisch-ökonomischen Macht, die Einsicht in die tiefen Tendenzen der modernen Gesellschaft bei ihrer Produktion der Kultur und des geplanten alltäglichen Lebens und die Kohärenz aller auf internationaler Ebene eingenommenen Positionen sind mit gleichem Recht Fronten dieses einheitlichen Kampfes. So scheint uns Eduardo Mena in dem Artikel über den Politischen Rückschritt in Algerien (siehe Nr. 3) bei seiner Verurteilung von Boumediennes reaktionärem Putsch das bürokratische Element etwas zu unterschätzen. Noch enttäuschender ist der Abdruck eines besonders schwachsinnigen und oberflächlichen Artikels von Bertrand Russel in der vierten Nummer über den Aufstand in Los Angeles, dessen Modewerk bei der Pariser Intelligenz — ein Handbuch der marxistischen Ökonomie — schon durch seinen bloßen Titel die ganze revolutionäre Methode von Marx herausfordert, da dieser niemals etwas anderes gemacht hat als eine Kritik der politischen Ökonomie als der bestimmten Disziplin einer durch die Logik der Ware beherrschten Gesellschaft.

Die erste Aufgabe der revolutionären Organisation, der Preis für ihre Existenzberechtigung ist gewiss die Kohärenz, die unerbittliche Kritik, die die „Macht der Gewohnheit“ — die größte Kraft der alten Welt bei den Massen — niederwerfen muss. Am meisten müssen in einem revolutionären Moment die „Gewohnheiten der Linken“ bekämpft werden. In diesem Augenblick entwaffnet ihr Noske — oder er tötet euch. Seit 40 Jahren ist die Funktion der roten Polizei hauptsächlich unter dem „kommunistischen“ Etikett ausgeübt worden, in Barcelona wie in Athen oder Budapest.

Andererseits muss diese Kohärenz konkretisiert werden, Es kommt darauf an, den Arbeitern das zu zeigen, was sie tun können, sowie die unvermeidliche Logik der angenommenen Strategie und die nicht weniger unvermeidliche Logik der feindlichen Strategie, falls diese den Sieg davontragen sollte. Dort, wo Arbeiterräte entstehen, kann es keine Mäßigung geben — weder auf der einen noch auf der anderen Seite. Das Programm der Arbeiterräte hat alles zu gewinnen und nichts zu verlieren, wenn es alle seine Konsequenzen erkennt. Der alte Grundsatz des Konflikts — „Ohne alle seine Kräfte auch nicht sein Schicksal aufs Spiel setzen“ — soll sein Grundsatz sein und seine Kräfte sind gerade das Bewusstsein und das Verlangen nach dem Möglichen. Niemals wird die Behauptung der Räte ihre Feinde zu sehr beunruhigen, denn sie wird selbst nie zu sehr beunruhigt sein vor der unvermeidlichen Rückwirkung, die sie entstehen lassen wird, was sie auch immer tun oder nicht tun mag. Die Bourgeoisie und die Bürokratie werden durch alle ihre Interessen — die einer herrschenden Klasse bzw. einer sich versteinernden Herrschaft — gezwungen, die Ziele der Räte total zu bekämpfen. Lieber diese Ziele gleich vor allen definieren, die sie als ihr Programm und ihr Leben anerkennen können.

« Les yeux fermés, j’achète tout en Espagne »
« L’Espagne n’est pour moi qu’une toute petite partie du monde. A mon époque elle était un volcan. Aujourd‘hui elle est un lac tranquille et, malgré certaines apparences, endormi. »
Luis Buñuel (interview par Y. Baby dans Le Monde du 13-8-65).

« A Mieres, le 12 mars, 8.000 mineurs venus de diverses localités de la région se rassemblèrent. Ils voulurent tenir une réunion dans la Maison des Syndicats. On les empêche d’entrer. Les mineurs manifestèrent dans les rues. La police intervint, arrrêta une quinzaine de manifestants qui furent conduits au commissariat. Les manifestants, et ce pour la première fois sous le franquisme, attaquèrent le commissariat ... libérèrent leurs camarades et mirent à sac le commissariat. L’importance d’une telle action est considérable ... Il n‘est pas facile de « canaliser » un prolétariat qui prend d’assaut les commissariats. »
Acción Comunista 2 (avril 1965).

Die Macht der Räte ist der absolute Feind des vorherrschenden „Überlebens“. Sie selbst kann also niemals lange überleben, wenn sie die Wette um die vollständige Neugestaltung aller Lebensbedingungen, eines sofort befreiten Lebens nicht eingeht und gewinnt. Diese Macht muss unverzüglich eine grundsätzliche Umwandlung sowohl der Produktion als auch der Beziehungen innerhalb der Produktion durchsetzen, die Ware abschaffen und die Bedürfnisse ändern; die Raumordnung und die Erziehung, die Praxis der Justiz und die Definition selbst des Verbrechens verändern; zusammen mit der Hierarchie deren Moral und die Religion liquidieren. Die Vertiefung, die Verteidigung und die Veranschaulichung eines solchen Programms sind die ersten Aufgaben einer Organisation, die zu der Entfesselung solcher Kräfte beitragen will. Dasselbe Programm kann aber auch durch seine andere Seite, durch einfache Maßnahmen der Agitation zum Ausdruck gebracht werden. Acción Comunista sieht sehr gut, dass die gegenwärtige „Opposition“ in dem Augenblick, in dem Francos Erbfall eintritt, durch die Rücksicht auf die kapitalistische Ordnung innerhalb irgendeiner demokratischen Nationalfront vereinigt wird. Wer da durchgreifen will, muss selbstverständlich das nationale und ausländische Kapital expropriieren, das die Produktionsmittel besitzt. Das mag ziemlich abstrakt bleiben und viele Leute wollen die Lösung eines so komplizierten Problems von einigen Verstaatlichungsmaßnahmen erwarten. Nehmen wir ein konkretes Beispiel. Die gegenwärtige Organisation des Konsums durch den fortgeschrittenen europäischen Kapitalismus führt dessen privilegierte Schichten dazu, Häuser in Spanien zu kaufen. In France-Soir vom 11. November 1965 war z.B. folgendes zu lesen: „Jetzt sind auf bisher öden Stränden innerhalb von sechs Monaten kilometerlang Villen und Ferienstädte wie Rosenkranzperlen emporgeschossen. Für die spanische Wirtschaft ist das wie Manna; für die mittleren Klassen, ob sie französisch, deutsch oder englisch sind, ist es wie die Entdeckung des Paradieses — für eine Million (alte Francs) pro Zimmer“. In derselben Zeitung war auch folgende Erklärung eines Vertreters der Immobiliengesellschaft „Constructores Ibericos“ zu lesen: „Wir haben erreicht, dass ‚Securitas‘, die auf der ganzen Welt für Bauqualität bürgt, auch unsere Bauten kontrolliert, sowie dass eine schweizer Versicherungsgesellschaft uns eine zehnjährige Garantie gewährt“. Europas Sicherheit kann aber gestört werden — so wie z.B. durch die „wirtschaftliche Erklärung“ des Petersburger Sowjets, der 1905 ankündigte, dass die für die Bekämpfung des russischen Volkes vom Zarismus aufgenommenen Anleihen auf keinen Fall von diesem einmal befreiten Volk zurückgezahlt werden sollten. Diejenigen, die zur Zeit in der Bauwirtschaft in Spanien investieren, ziehen aus dem dortigen niedrigen Preis der Arbeitskraft Nutzen, unterstützen die Wirtschaft des Regimes, dem diese Sachlage zu verdanken ist und breiten ganze Gebiete von zweiten Wohnsitzen aus, die dazu bestimmt sind, 9/10 des Jahres leer zu stehen. Auf diese neue Form der Ausbeutung, die mit dem Zeichen einer ruhigen Verachtung gegenüber dem spanischen Volk verbunden ist, kann das Programm der Arbeiterräte heute schon mit der Ankündigung antworten, dass alle ausländischen Immobilieninvestitionen am ersten Tag ihrer Macht ohne Entschädigung beschlagnahmt werden. In diesem Projekt einer direkten Expropriierung können die spanischen Arbeiter die höchsten Momente ihrer Vergangenheit wiedererkennen, während alle Kräfte, die die Demokratisierung des Kapitalismus wollen, es als die denkbar unannehmbarste Handlung betrachten werden. Genauso schwerwiegend ist die internationalistische Bedeutung dieser Maßnahme. Bekanntlich war die schwache anarchistische Kampagne, die seit Jahren gegen den spanischen Tourismus arbeiten wollte, ein Misserfolg. Dieser Protest wurde im Namen von offensichtlich von den Massen vergessenen politischen Imperativen erhoben. Er widersetzte sich der gesamten Bewegung der modernen Gesellschaft — d.h. derselben, die auf globaler Ebene die Revolution von 1936 in Vergessenheit geraten ließ. Diese Bewegung lässt die Armen in die Ferien reisen — 8 Millionen Franzosen sind im Sommer 1965 in Spanien herumgefahren — und kein politischer Voluntarismus kann dieser Strömung wie ein unverständliches Detail in die Quere kommen. Dagegen aber ist eine Bedrohung des Eigentums von Leuten, die imstande sind, für Wohnhäuser in Spanien Geld zu investieren, die sie 1 Million alte Francs pro Zimmer kosten, dadurch interessant, dass sie eine reiche Klasse wieder ins grelle Licht stellt, deren Existenz in Europa ziemlich perfekt verheimlicht wird, seitdem die moderne Soziologie entdeckt hat, dass es keine Klassen mehr gibt. Die herrschende Klasse Europas ist genau so in Vergessenheit geraten wie die spanische Revolution: im Fernsehen spricht man nicht von ihr und die Linke spricht nur von dem, wovon im Fernsehen gesprochen wird. So könnte ein wissenschaftlicher Beweis der Existenz einer privilegierten Klasse höchst nützlich sein — und nicht nur für die Soziologen. Gemäß der im Juni 1965 veröffentlichten Untersuchung des Nationalen Instituts für Statistik erhalten die Hälfte der Lohnempfänger in Frankreich immer noch weniger als 750 Franc Monatslohn (und 27% von ihnen sogar weniger als 526 F.). Es ist jedem sofort klar, dass diese Arbeiter durch den Beschluss ihrer spanischen Genossen nicht beeinträchtigt werden. Im Gegenteil kann dieses Beispiel, das gleichzeitig die Krankheit und das geeignete Heilmittel aufdeckt, die beste Wirkung in ihrem Land selbst haben. Eine Arbeitermacht in Spanien wird diese Unterstützung der europäischen Massen brauchen, denn sie wird sofort auf die konsequente Feindschaft all dessen stoßen, was es in Europa an führenden Kräften und „mittleren Klassen“ gibt. Der auf „dauerhafte Güter“ in Spanien gerichtete Konsumteil dieser Schichten drückt deutlich genug ihr Vertrauen zur kapitalistischen Zukunft dieses Landes aus. Unsere Aufgabe ist es, gegen jeden gegenwärtigen Schein das umgekehrte Vertrauen zu schaffen.

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Erstveröffentlichung im FORVM:
Januar
1977
, Seite 27
Autor/inn/en:

Pierre Gallissaires:

Geboren 1932 in Talence (Gironde). Übersetzer und Mitgründer der Edition Nautilus in Hamburg.

Hanna Mittelstädt:

Geboren 1951 in Hamburg. Autorin und Übersetzerin, Mitgründerin der Edition Nautilus in Hamburg.

Situationistische Internationale: Situationistisch / Situationist: All das, was sich auf die Theorie oder auf die praktische Tätigkeit von Situationen bezieht. Derjenige, der sich damit beschäftigt, Situationen zu konstruieren. Mitglied der situationistischen Internationale.
Situationismus: Sinnloses Wort, missbräuchlich durch Ableitung des vorigen gebildet. Einen Situationismus gibt es nicht — was eine Doktrin zur Interpretation der vorhandenen Tatsachen bedeuten würde. Selbstverständlich haben sich die Anti-Situationisten den Begriff „Situationismus“ ausgedacht.

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