MOZ » Jahrgang 1990 » Nummer 55
Klaus Martinek
Ära Bacher III:

Autokratischer Greis oder Cassius Clay?

„Der heimatlose Rechte“ hat wieder eine echte Heimat: eine blauschwarze ‚Koalition‘ hat Gerd Bacher zum dritten Mal zum Generalintendanten des ORF gekürt. Daß sich auch die Betriebsräte als Steigbügelhalter des ‚Tigers‘ hergegeben haben, sorgt für Unmut am Berge der Künigl.

Gerd Bacher
Bild: Votava

Originell ist das zwar nicht besonders, aber dafür umso treffender: Es war tatsächlich ein Freitag, der Dreizehnte, an dem die Ära ‚Bacher III‘ in den Chefetagen des ORF-Zentrums eingeläutet wurde. So überraschend freilich, wie das Wahlergebnis vom Juli für manche Uneingeweihte aussehen mag, ist es nicht, denn:

  1. herrschen im ORF-Kuratorium seit 1. Februar dieses Jahres parteipolitische Verhältnisse, die den Rechten eine Mehrheitsbildung erleichtern;
  2. steht Bacher, in dieser Hinsicht vom Saulus zum Paulus geläutert, für den Abbau des ORF-Monopols und hat
  3. noch den ungeheuren ‚Vorzug‘, über beste Kontakte zum bayrischen Film-Monopolisten Leo Kirch zu verfügen, der dem ORF viel von jener mehr oder weniger qualitätvollen Fiction-Ware, die tagtäglich aus dem Kastl ins Wohnzimmer quillt, liefert.

Das Votum der ÖVP- und FPÖ-Kuratoren war also nicht schwer zu erraten. Größter Unsicherheitsfaktor bei jeder Intendantenwahl allerdings ist das Abstimmungsverhalten der Betriebsräte, die — so der enttäuschte Verlierer — „einmal den Gigl wählen und einmal den Gogl“. Diesmal war also wieder einmal der Gogl dran, oder — um es mit dem strahlenden Sieger auszudrücken: „Cassius Clay“ (Bacher über Bacher) wurde der „Micky Maus“ (Bacher über Podgorski) vorgezogen.

Von „Irregeführten“ und „linksgrünen Spinnern“

1986 stimmten die Betriebsräte noch gegen Bacher — weil sie ihn für einen „autokratischen Greis“ hielten. Warum sie den um vier Jahre Gealterten erneut zu ihrem obersten Chef machten, scheint auch etliche KüniglbergerInnen beschäftigt zu haben, was den Zentralbetriebsrat dazu veranlaßte, nur drei Tage nach der Wahl ein Informationsblatt, adressiert „an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ORF“ herauszugeben, das, statt schwelende Unruheherde zu löschen, eher noch Öl ins Feuer goß. Denn Herbert Leyrer (Vorsitzender), Heinz Fiedler (Schriftführer) und Co. nahmen keineswegs die Chance wahr, ihr Votum mit den ungeahnten Vorzügen Bachers zu begründen; ganz im Gegenteil: „Über die guten oder schlechten Eigenschaften der beiden GI-Kandidaten war und ist man im Haus unterschiedlicher Meinung“, heißt es lapidar. In bezug auf die Richtigkeit ihrer Entscheidung begnügten sich die Damen und Herren Betriebsräte mit der Null-Aussage, sie hätten „den richtigen Weg der Sicherheit für unsere gemeinsame Zukunft im ORF gewählt.“ Dafür aber bekennen sie in unbeabsichtigter Offenheit, sie hätten mit ihrer Entscheidung „der politischen Realität und der Mehrheitsbildung im Kuratorium Rechnung“ getragen. Diese „politische Realität“ besteht unter anderem darin, daß der „Boulevard-Journalist mit Machtinstinkt“ (Franz Schuh über Bacher) gewählte ArbeitnehmerInnen-VertreterInnen als „geistige Halbstarke“ und „Apparatschiks“ zu titulieren pflegte.

Daß der Zentralbetriebsrat im erwähnten Flugblatt seinerseits alle Andersdenkenden als „erklärte Gegner des ORF und einige Irregeführte im Haus“ denunzierte, war selbst den als nicht eben konfliktfreudig bekannten ORFMitarbeiterInnen des Unguten zuviel. Einige der „Irregeführten“ reagierten prompt mit: einem erbosten Gegenflugblatt, und in so manchen Abteilungen, in denen Betriebsräte werken, soll es in diesen heißen Sommertagen zu ebenso heißen Konfrontationen gekommen sein, bei denen die von ihrer Basis attackierten Angestellten-Vertreter wortreich und nicht immer überzeugend argumentiert hätten, warum sie sich den sprichwörtlichen Teufel um den Willen ihrer potentiellen WählerInnen geschert hätten. Denn tatsächlich ist es mehr als fraglich, ob eine Mehrheit der 3.200 Angestellten und mindestens ebenso vielen Freien MitarbeiterInnen des Unternehmens tatsächlich den Weg Bachers mit jenem der ‚Sicherheit‘ identifizieren. Das vermutet auch der ehemalige Zentralbetriebsrat und derzeitige Technische Direktor Heinz Doucha: „Klar ist, daß die Beliebtheit Podgorskis in der Belegschaft heute weit über der von Bacher liegt“, ließ er die Öffentlichkeit in einem „Presse“-Interview wissen.

Von Tigern, Fliegen und kleineren Übeln Gerd Bacher, eine politische Biographie:

1938 Mitglied der Hitlerjugend, 1943 freiwillig zur Wehrmacht, NSDAP-Anwärterschaft (nach Hans Weiss/Krista Federspiel: „Wer?“, Wien 1988). Schon als Chefredakteur des „Bild-Telegraf“ verbreitete er rechte Weisheiten, 1976 verkündet er: „Ich arbeite gern daran, zu verhindern, daß Europa ... sozialistisch wird.“ Das versuchte er auch als CDU-Wahlhelfer („Freiheit statt Sozialismus!“) und als zweimaliger Chef des Medienriesen ORF: Es sei zu „Serienentlassungen von Sozialisten“ gekommen, so der damalige SJ-Vorsitzende Josef Cap.

Opfer des ‚Tigers‘, der mit dem Namen ‚Tyrannosaurus Rex‘ wohl besser bedient wäre, wurden unter anderem Dieter Seefranz, Unterhaltungschef Kuno Knöbl, Intendant Wolf in der Maur und die spätere „Frau des Jahres“, Barbara Coudenhove-Kalergi, der Paul Lendvai als Leiter der Osteuropa-Redaktion vorgezogen wurde. Anderen unliebsamen Untergebenen wie Günther Nenning und Freda Meissner-Blau verordnete Bacher „Beschäftigungspausen“: und 1986, als ORF-Mitarbeiter in einem Inserat auf den „fundamentalen Unrechtscharakter des südafrikanischen Apartheid-Regimes“ hinwiesen, reagierte er mit dem fundamentalen Unrechtscharakter des fundamentalen Rechten: Er empfahl den Betroffenen eine „einvernehmliche Lösung ihres Dienstverhältnisses“. Fast schon Allgemeingut sind — zumindest unter ORF-MitarbeiterInnen — Bachers Aussprüche über Frauen („Trutschen“), die „ihre Prüfungen leichter im Bett bestehen würden“, über Haartracht und Kleidung („Das Geschlecht der ORF-Angestellten sollte auch in bekleidetem Zustand erkennbar sein!“) und über den eigenen autoritären Führungsstil („Wo gehobelt wird, fliegen Späne“).

Daß Gerd Bacher keineswegs der sieggewohnte Medien-Zampano ist, als den er sich gerne feiern läßt, scheint die fünfunddreißig ORF-Kuratoren ebenfalls wenig interessiert zu haben. Tatsächlich nämlich ist Bacher nicht nur als Kohl-Wahlhelfer und als Retter des Salzburger Kiehsl-Verlags gescheitert. Auch als „Presse“-Herausgeber hat er, so kolportiert „profil“ die Meinung einiger Redaktionsmitglieder, „keinen Millimeter weitergebracht“. So weit, so schlecht.

Aber was spricht für Podgorski? Wohl kaum mehr als der berühmte Hinweis auf das ebenso berühmte ‚Kleinere Übel‘. Denn in der Ära des Sportfliegers, Autonarren und ehemaligen Geschäftsführers des Proksch-Vereins „Civil und Militär“ ging die Repression gegen kritische MitarbeiterInnen — wenn auch schleichender und weniger spektakulär — weiter: Die kritischen JournalistInnen Kurt Langbein und Burgl Czeitschner verließen das Haus in Richtung „profil“, „Club 2“-Chef Peter Huemer räumte seinen Schreibtisch und ging zum Hörfunk, der Leiter der Abteilung „Fernsehspiel“, Gerd Szyszkowits mußte dem — gelinde gesagt — nicht eben als fortschrittlich bekannten Michael Kehlmann weichen. Auch in den Etagen weiter unten gibt es wenig, was Heide Schmidts Vorwurf der „Linkslastigkeit“ Podgorskis zu stützen vermag. Ein Beispiel: Beim öffentlich ausgetragenen Kampf gegen Elisabeth Spira und ihre Sendereihe „Alltagsgeschichten“ anläßlich einer besonders ‚heiklen‘ Story über Kärntner Stammtische stellten sich die Gewaltigen der Informations-Intendanz gegen sie. Die „Rettung in letzter Minute“ nahte in Gestalt des Kulturchefs Karl Löbl, der Spira samt Serie in sein Ressort übernahm.

Last Exit: Jänner-Wahl

Was von einer Ära ‚Bacher III‘ zu erwarten ist, scheint klar:

  • wesentliche Schritte in Richtung Privatisierung, oder um den Tiger selbst zu zitieren: eine Entwicklung vom Monopol zum marktbeherrschenden Unternehmen;
  • eine Verstärkung der Kirch-Connection: schließlich war es Bacher, der vor sechs Jahren den folgenschweren Deal mit dem Münchner „Taurus“-Chef abschloß und ihn damit zum weitaus größten Spielfilm-Lieferanten des ORF machte; und schließlich sitzt Bacher im Aufsichtsrat des Kirch-Springer-Privatsenders „Sat 1“;
  • Personalpolitisch scheint — als Dank an die blauen Kuratoren — ein FPÖ-Landesintendant in Kärnten bevorzustehen. Die beiden Fernseh-Programmintendanten Marboe und Kunz werden bleiben. Und was Gerd Bacher den Betriebsräten so alles an individuellen Karrieresprüngen versprochen hat, wird sich zeigen.

Da der alte neue ORF-Boß im Juli nicht die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit erhalten hat, muß im Jänner noch einmal gewählt werden. Die Betriebsräte haben sich längst festgelegt: „Wir haben uns für einen Generalintendanten Bacher entschieden und werden bei dieser Entscheidung bleiben“, heißt es im eingangs zitierten Flugblatt. Rund drei Wochen danach, unter dem Eindruck des Widerstands der eigenen Basis, klingt das schon ganz anders: Die alljährliche Betriebsversammlung wurde auf den 17. September vorverlegt, da nun plötzlich „Information und Mitsprache aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unseres Unternehmens von erhöhter Bedeutung“ seien. Betriebsrätliches Demokratieverständnis geht oft seltsame Wege ...

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Erstveröffentlichung im FORVM:
September
1990
, Seite 16
Autor/inn/en:

Klaus Martinek: Freier Journalist, lebt in Wien.

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