Context XXI » Print » Jahrgang 2001 » Heft 7-8/2001 — 1/2002
Claude Haddad

Als ich nach Österreich kam. Ein Traum und heute nur mehr ein Alptraum ...

Als ich die Grenze nach Österreich überquert habe, hatte ich ein Ziel: Studieren, und als Diplom-Ingenieur in mein Heimatland zurückkehren. Immerhin haben es vor mir ein Onkel und eine Tante geschafft und vor kurzem ihr Studium im Ausland absolviert. 5 Jahre im Ausland — das schafft für mich eine neue Zukunft.

Deutsch lernen, ein neues Land entdecken und neue Leute treffen. Freunde fürs Leben, Kontakte für das spätere Berufsleben und vor allem die berühmte Stadt kennenlernen. Wien, ich komme ...

Dieser Traum ist leider nach so vielen Jahren ein Traum geblieben, dieser Traum wird leider auch nur ein Traum bleiben. Ein zerstörte Zukunft und ein böser Alptraum. Das ist es, was übrig geblieben ist.

In einer immer internationaler werdenden Welt kommt es mir oft so vor, dass Österreich den Rückwärtsgang eingelegt hat und trotzdem dies alles nicht merken will.

In Zeiten der Globalisierung, und der Suche nach neuen Partnern am anderen Ende des Globus, sucht die Österreichische Regierung fast nur mehr Kontakte zur nächsten Gemeinde. Wie lange wird es dauern bis man hier merkt, dass es so nicht weiter geht.

Studieren ist für viele eine große Herausforderung, da sie ein 400 Seiten Skript lernen sollen, Studieren ist für einige eine Herausforderung da Sie 30 Km von zu Hause entfernt wohnen werden.

3.500 km von zu Hause weg sein, Deutsch zum ersten Mal gehört zu haben und kein einziger Mensch, den man kennt, sind Herausforderungen. Ein Sprung ins Ungewisse, mit vielen Träumen. Das erleben viele ausländische Studierende.

Wenn man das Glück (!!) hat und die Einreisebestimmungen erfüllt, (das dauert meistens mehr als 6 Monate), beginnen die bösen Überraschungen ans Tageslicht zu kommen.

70.000,— ATS müssen wir jährlich nachweisen, und das auf einem österreichischen Konto (sogar manchmal vor der Einreise). Eine Wohnung finden müssen noch vor der Einreise. Und seit diesem Jahr, die berühmten 10.000 pro Semester zahlen. Dazu kommt noch, dass wir hier nicht arbeiten dürfen. Nicht einmal geringfügig. Die Aufenthaltsgenehmigung, die wir bekommen, gilt für Studieren als Zweck und nur fürs Studieren. Man verlangt sozusagen von uns: Lernen, Prüfungen ablegen, essen, schlafen, Geld ins Land holen und Mund halten.

Bei unserer Vertretung dürfen wir aktiv arbeiten, aber auch immer nur als MitarbeiterInnen. Selber entscheiden dürfen die AusländerInnen nicht. Wer wird uns denn wahrnehmen, wenn wir eh nur wählen dürfen (und wer von uns geht überhaupt wählen) und keine „Gefahr“ für andere wahlwerbende Gruppen darstellen. Wir sollen uns doch zufrieden geben, mit unserem AusländerInnenreferat. Was man außerhalb der ÖH nicht weiß, ist aber eine Realität. Die ReferentInnen sind weisungsgebunden. Also entscheiden dürfen sie nichts alleine. Man verlangt also hier brav in die Kassa unserer Vertretung zu bezahlen und zufrieden zu sein, wenn jemand für uns was macht. Das Glück entscheidet, wer Vorsitzende/r ist und was für Schwerpunkte gesetzt werden. Heute läuft es gut, aber wie war es Gestern und vor allem was kommt Morgen?

Wahlrecht jetzt, und ein Autonomes AusländerInnenreferat innerhalb der ÖH!

Doppelt bezahlen müssen wir nicht nur die Studiengebühren. Doppelt und manchmal dreifach müssen wir auch für den öffentlichen Verkehr bezahlen. Als ich vor 2 Wochen beim Schwarzfahren in Wien erwischt wurde, habe ich dem Kontrolleur gleich gesagt, dass ich keinen Fahrschein habe. Als die Frage „Und wieso haben Sie keinen?“ kam, habe ich die reine Wahrheit gesagt: Aus Prinzip, ich bezahle nur die Hälfte meiner absolvierten Fahrten in der U-Bahn. Ich studiere hier, und bezahle wie alle meine KollegInnen an der Uni nur die Hälfte. Das Gesetz sieht es anders, aber ich sehe keinen Grund, warum ich doppelt bezahlen soll, da auch ich meinen Hauptwohnsitz in Wien habe. Er schaute mich an und sagte: „Ja aber die Strafe müssen sie jetzt trotzdem bezahlen“.

Gleiche Ermäßigungen! StudentIn ist StudentIn!

1.200 ATS jährlich spende ich für die Fremdenpolizei. Da ich mein Visum jährlich verlängern muss. Neben dem Studienerfolg, kommen wieder die 70.000 ATS, die ich nachweisen muss. Ich habe das Glück, daß ich dies nicht als Problem habe. Aber nicht einmal die Fremdenpolizei glaubt, dass jede/r die 70.000 ATS jährlich aufbringen kann. „Und wie sollen wir das, wenn wir nicht arbeiten dürfen?“ Das sind die Schikanen. Viele meiner KollegInnen verlieren Tage und Wochen, bis Sie dieses Problem lösen können. Kann man dann wirklich lernen?

Visum für die Studiendauer, und keine Schikanen und Hürden! Der Nachweis über 70.000,— ATS gehört abgeschafft, und wir sollen arbeiten dürfen.

Ich darf in Österreich sozusagen keine Freundin haben. Wenn ich mich entscheide hier zu bleiben, und mit meiner Freundin eine Lebensgemeinschaft führe, müssen wir heiraten, da ich sonst nicht hier bleiben kann. Also Heiratspflicht. Warum soll mich das Gesetz zwingen, meine Freundin zu heiraten? Und das schlimmste wäre, auch eine ausländische Freundin zu haben, dann müssen wir beide das Land verlassen. Das gilt sowieso nur für die Mann-Frau Beziehung. Mann-Mann bzw. Frau-Frau-Beziehungen haben für AusländerInnen keine Zukunft. Entweder gleich nach dem Studium Schluss machen, oder die Uni subventionieren und wieder ein neues Studium anfangen. Wann wird der Gesetzgeber einsehen, dass Beziehungen nicht nur aus Heiraten bestehen, bzw. nicht nur aus Mann-Frau?

Bleiberecht für alle nach dem Studium! Wir können alle beitragen, ein noch besseres Österreich aufzubauen.

Was ist mit den Berufserfahrungen neben dem Studium? Wenn ich dem Gesetz folgen will, (und das tue ich brav, da ich sonst ein Aufenthaltsverbot für 5 Jahre bekomme) dann habe ich die Wahl zwischen:

  • nicht arbeiten,
  • gratis Arbeiten
  • oder Zeitungen verteilen. Für Frauen bleibt nur das Au-Pair. ( Au-Pair in Österreich ist ein Verschönerungswort für Dienstmädchen für alles, und alles heißt auch manchmal Schlimmes).

Im Vergleich zu anderen EU-Ländern merkt man, dass Österreich da fast einen Sonderfall darstellt. In Deutschland, Frankreich, England, Schweden, Norwegen und vielen anderen Ländern dürfen ausländische Studierende aus Drittstaaten arbeiten (in den Sommerferien, Oster- und Weihnachtferien). Ausländische Studierende in Österreich können sogar während der Ferien in Deutschland arbeiten. Die Problematik liegt nur an der Schwierigkeit, eine Arbeit zu finden, solange man/frau noch in Österreich ist.

Arbeitsrecht jetzt für alle!

Studienwechsel ist nicht erlaubt. Wer sich einmal für Medizin entscheidet, darf in Österreich dann nur Medizin studieren, oder 5 Jahre abwarten. Studienwechsel ist nicht erlaubt, außer man kann wieder vom Heimatland einen Studienplatznachweis bekommen. Die Frage nach dem Wie hat sich der Gesetzgeber wahrscheinlich nie gestellt. Wie kann ich eine Aufnahmeprüfung in meinem Land machen, wenn ich noch hier Kurse besuchen muss? Oder wie kann überhaupt eine(r) die Aufnahmeprüfung schaffen nach nur (als Beispiel) 3 Jahren Aufenthalt in Österreich.

Weg mit dem Studienplatznachweis für alle die sich schon in Österreich befinden!

Studieren sollen AusländerInnen ab diesem Jahr nur mehr in Wien, Graz und Leoben. Wir müssen am Studienanfang Deutsch lernen, und da gelten wir als außerordentliche Studierende. Die Unis haben sogenannte Vorstudienlehrgänge eingerichtet, um uns diese Möglichkeit zu geben: Deutsch lernen und die Ergänzungsprüfungen ablegen. Was man nicht gemacht hat, ist das Einrichten solcher Lehrgänge in Salzburg, Linz oder Innsbruck. Und so müssen auch Studierende aus den ärmsten Ländern, die eigentlich die Studiengebühren rückerstattet bekommen sollen, 10.000,— ATS pro Semester bezahlen, und dazu noch die Gebühren eines Deutschkurses. Also sozusagen ca. 15.000,— ATS spendieren und nicht einmal die Uni besuchen. Die ersten Auswirkungen hat man schon in Salzburg dieses Jahr gespürt: einen deutlichen Rückgang bei den Erstzulassungen bei ausländischen Studierenden.

Rückerstattung für alle Studierende aus den Entwicklungsländern auch während der Zeit des Deutschlernens! Und das Einrichten von Vorstudienlehrgängen an allen Österreichischen Universitäten!

Krank werden dürfen wir nicht, Flugzeug verpassen auch nicht. Wer krank im Bett liegt und sein Flugzeug verpasst, kann dann gleich in seinem Heimatland für immer bleiben. Nach den neuen Vorstellungen der Regierung muss man sich jedes Semester an der Uni anmelden, und die 10.000,— ATS bezahlen. Wer jedoch das Geld nicht bezahlt, wird abgemeldet. AuslaenderInnen gelten dann gleich ab dem nächsten Tag als illegal in Österreich, bzw. dürfen nicht mehr ins Land einreisen. Bei so einem Fall muss man einen neuen Antrag zur Zulassung beantragen und sogar einen neuen Studienplatznachweis holen, aber auch die Prüfungen anrechnen lassen.

Mir fällt da nur eines ein. Wir sind unerwünscht und man versucht bei jeder Gelegenheit uns Steine auf den Weg zu legen, mit der Hoffnung, dass wir dann stolpern und aufs Gesicht fallen und als Folge Österreich verlassen. Mit den heutigen restriktiven Bestimmungen praktiziert das Land eine „Politik des Aussperrens“, die für viele ausländische StudienbewerberInnen und ExpertInnen nicht hinnehmbar ist. Wann wird man in Österreich aufwachen und uns das Gefühl geben, wir wären willkommen? Wann wird man erkennen, dass wir nicht nur unsere Sitzplätze an den Unis wärmen, sondern auch viel mehr zu Österreich beitragen können. Wann wird mensch in Österreich erkennen, dass wir nicht als Sozialfälle gelten wollen und auch nicht so behandelt werden wollen.

Wir wollen nur Rechte, damit wir in Würde leben und studieren können. Wir wollen unsere Semmel in der früh bezahlen können, ohne den täglichen Streit mit der Bank, da wir kein Geld auf unserem Konto haben. Wir wollen einfach studieren, wir wollen studieren, wir wollen studieren. Was heutzutage nicht mehr für uns möglich ist. Aufwachen bevor es zu spät wird! Es wurde die Zukunft von inzwischen ehemaligen Studierenden im Jahr 2001 zerstört und viele haben das Land schon verlassen.
Österreich für alle gleich! Jetzt und heute. Wir leben hier, wir tragen bei, dieses Land besser zu gestalten, und wir wollen gleich behandelt werden. Für mich ist der Zug schon abgefahren, und die Gesetze haben Schlimmes verursacht. Aber was ist mit den Studierenden, die nächstes Jahr nach Österreich kommen wollen? Werden sie wieder in die gleiche Falle tappen? Werden Sie das gleiche Schicksal haben?

Wir wollen studieren, wir wollen Rechte und nicht nur Pflichten.

Österreich für alle gleich! Die Universität muß für alle gleich sein!

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Erstveröffentlichung im FORVM:
Februar
2002
, Seite 13
Autor/inn/en:

Claude Haddad: War viereinhalb Jahre Mitarbeiter und AusländerInnenreferent der ÖH. Derzeit ist er im Verein „AusländerInnen-Online“ aktiv.

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